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Vor 2012 erholt sich die Wirtschaft nicht

Von Nathan Gardels
Nobelpreisträger Paul A. Samuelson war schon 1932 Berater der US-Notenbank. Damals durchlitten die USA die große Depression. Doch noch nicht einmal er hat eine solche Krise wie jetzt schon einmal erlebt. Ein paar Rezepte zur Genesung der kranken Wirtschaft hat er trotzdem parat.
Der US-Amerikaner Paul Samuelson prägt seit mehr als 60 Jahren die Volkswirtschaftslehre. Er verband in seiner Theorie die neoklassische und die keynesianische Sichtweise und wurde 1970 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Mit dem Neoklassiker Milton Friedman focht der heute 93-Jährige einen jahrzehntelangen akademischen Streit aus. Beide hatten in den 30er-Jahren in Chicago studiert.

WELT ONLINE: Sie haben Milton Friedman überlebt, der 2006 gestorben ist. Und jetzt haben Ihre keynesianischen Ideen auch seine Ideologie eines radikal freien Markts überlebt. Ist die Ökonomie wieder da, wo Sie angefangen haben?
Paul Samuelson: Sie haben Recht. Ich bin alt genug, um zu erleben, wie der Kreis sich schließt. Meine Erfahrung ist heute wertvoller als sie es noch vor einem Jahr war. Denn zum ersten Mal in der Wirtschaftspolitik aktiv wurde ich am 2. Januar 1932, auf dem Tiefpunkt der Großen Depression. Damals wurde ich Berater der US-Notenbank. 1960 war ich Chefberater des gewählten Präsidenten John F. Kennedy und habe das Team seiner Wirtschaftsberater zusammengestellt. Ich bin früh zum Zentristen geworden. Natürlich war das planwirtschaftliche System der sozialistischen Staaten, mit denen wir damals noch ideologisch konkurrierten, idiotisch, aber das hieß nicht, dass die Regierung nicht entscheidend war. Und heute sehen wir, wie irrig die Friedman-Idee war, dass ein Marktsystem sich selbst regulieren könnte. Wir sehen, wie dumm der Ronald Reagan-Slogan war, die Regierung sei das Problem, nicht die Lösung. Ganz im Gegenteil begreift jetzt jeder, dass es ohne Regierung keine Lösung geben kann. Die keynesianische Idee, dass Fiskalpolitik und öffentliche Defizitfinanzierung eine bedeutende Rolle in der Lenkung einer Marktwirtschaft spielen müssen, wird abermals akzeptiert. Ich wünschte, Friedman wäre noch am Leben, sodass er mit ansehen könnte, wie sein Extremismus zur Niederlage seiner eigenen Ideen geführt hat.

WELT ONLINE:Inwieweit lässt sich die derzeitige Wirtschaftskrise mit der Großen Depression vergleichen?
Samuelson: Die derzeitige Situation ist sehr ähnlich und mit Sicherheit die schlimmste, die Amerika und die Welt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs erlebt haben. In manchen Fällen – dem Häusermarkt – ist sie sogar schlimmer. Offenkundig wird es eine außergewöhnlich lange Rekonvaleszenzphase mit einer hohen öffentlichen Verschuldung durch die Regierung geben. Obama hat ein gutes Team - mein Neffe Larry Summers ist darunter. Aber als alter Veteran der in Washington geschlagenen wirtschaftspolitischen Schlachten bin ich mir sicher, dass Obama in offenen wie in verdeckten Widerstand rennen wird. Seine Flitterwochen werden kurz. Aktuelle Prognosen, denen zufolge wir im zweiten Halbjahr 2009 eine gewisse Erholung erleben könnten, sind hochgradig unglaubwürdig. Ich vermute, dass wir vor 2012, möglicherweise sogar 2014, keine Erholung erleben werden. Das ist näher am Zeitrahmen, den Roosevelt brauchte, von seiner Amtseinführung im März 1933 bis zum Vorabend des Zweiten Weltkriegs. Ich fürchte, dass es den jungen Leuten, die Obamas beruhigenden Bemerkungen Gehör schenken, in diesem Punkt an historischer Perspektive mangelt. Aufs und Abs und ökonomische Blasen hat es seit den Höhlenmenschen gegeben. Was diese Kernschmelze anders macht, ist, dass wir auf den teuflischen Finanzplänen "brillanter" MIT- und Wharton School-Absolventen ein so "kunstvolles" Kartenhaus errichtet haben, dass es eine Menge Zeit brauchen wird, das Durcheinander wieder aufzudröseln und neues Vertrauen in das Finanzsystem zu schaffen. Sie haben derart komplexe Instrumente geschaffen, dass kein Vorstandsvorsitzender sie mehr verstand. Es fehlte ihnen derart an Transparenz, dass die Kernschmelze als Überraschung kam.
WELT ONLINE: Zu Obamas Strategie gehören Steuererleichterungen ebenso wie Investitionen in die Infrastruktur. Manch einer behauptet jetzt, mit Steuerleichterungen bekäme man kurzfristig weniger neue Jobs fürs Geld als mit Infrastrukturmaßnahmen. Zu Zeiten Kennedys haben Sie zur Stimulierung der Wirtschaft für Steuererleichterungen plädiert. Was empfehlen Sie heute?
Samuelson: Zu Kennedys Zeiten haben wir uns sehr um Steuererleichterungen bemüht und sie schließlich bekommen. Damals haben sie geholfen. Aber das Erbe, das Bush uns hinterlässt, ist furchtbar, weil die Menschen seine Werbegeschenke an die Reichen mit potenziell wachstumsfördernden Steuererleichterungen verwechseln. Obama sollte der unteren Mittelklasse Steuervergünstigungen einräumen; das wird funktionieren. Die Unternehmen der Fortune 500 und ihre schamlos überbezahlten Führungskräfte werden nicht auf einmal dynamisch, weil man ihre Steuern kürzt. Das System der "Corporate Governance", das es Vorstandsvorsitzenden erlaubte, den vierhundertfachen Durchschnittslohn ihrer Angestellten zu verdienen – 20 Jahre zuvor war es der vierzigfache – , hat jegliches Argument zugunsten von Steuerkürzungen für die oberen Segmente unterminiert. Eine Vergütung nach Maßgabe nicht langfristigen Wachstums, sondern vierteljährlicher Gewinne, verbunden mit einem goldenen Handschlag, selbst wenn die Führungskräfte scheitern, unterminiert die Produktivität. Steuerkürzungen für diese Gruppe sind also buchstäblich kontraproduktiv. Bushs Politik ist in diesem Punkt kläglich gescheitert. Was die Infrastruktur angeht, muss man zwischen kurz- und langfristigen Maßnahmen unterscheiden. Im Falle "schaufelfertiger" Projekte - einer Umgehungsstraße in einer amerikanischen Großstadt zum Beispiel, wo bereits Bau- und umweltrechtliche Genehmigungen vorliegen und man nur noch auf die Bundeszuschüsse wartet - sollten wir einfach loslegen. Aber Begriffe wie die Wirtschaft "fremdstarten" oder "ankurbeln" sind irreführend. Das ist, als ließe man von einem Flugzeug aus Dollarscheine aufs Land regnen, ließe sie fallen, wohin sie eben fallen, und hoffte, dass sie Gutes bewirkten. Alles Bemühen muss nachhaltig sein, nicht einmalig. Brücken ins Nirgendwo führen zu keiner Erholung; vielmehr braucht es Brücken, die die wirtschaftlichen Aktivitäten zweier Gebiete miteinander verbinden, sodass auf lange Sicht Nettowachstum entsteht.
WELT ONLINE: Obama schlägt einen Stimulus von 800 Mrd. bis zu einer Billion Dollar vor. Reicht das?
Samuelson: Es ist die richtige Hausnummer. Am Ende könnte es mehr brauchen.
WELT ONLINE: Müssen wir uns bei einer solchen Staatsverschuldung Sorgen um die Inflation machen?
Samuelson: Wenn wir, optimistisch gerechnet, bis 2012 wieder runter auf vier Prozent Arbeitslosigkeit sind, wird das Preisniveau höher als heute sein, wahrscheinlich steigt es um zwei Prozent jährlich und gipfelt so in acht Prozent. Das, meine ich, sollte es wert sein, denn die größere Sorge ist die Deflation. Unter den gegebenen Umständen sollten wir in Sachen Überstimulation auf Nummer sicher gehen. Niemand bei klarem Verstand würde eine solche Inflationsrate verringern wollen, wenn sie Deflation verhindert und eine wieder intakte, tragfähige Wirtschaft hinterlässt.
WELT ONLINE: Die USA haben ihre Ausgabenüberschüsse mit Anleihen in China und anderen Ländern finanziert, die Reserven aus ihrem Handelsüberschuss haben. Das hat die Fremdkapitalkosten niedrig gehalten. In der globalen Finanzkrise gibt es eine Kapitalflucht in die Sicherheit der USA, was den Dollar stützt. Wird das so bleiben?
Samuelson: Die Überzeugung einiger, dass der US-Dollar stark bleibt, weil wir der letzte sichere Hafen sind, teile ich nicht. Das bleibt nicht so. So die asiatischen Staaten und insbesondere China nachhaltiges Wachstum wollen, wird die Krise sie schnell lehren, sich von ihrer Exportorientierung ab- und der Förderung des heimischen Konsums zuzuwenden. Wenn die unmittelbare Panik vorüber ist, werden sie das Kapital zu Hause brauchen, nicht in US-Bundesanleihen geparkt.

Dieser Bericht wurde nicht geprüft. Für Richtigkeit der Angaben übernimmt Silbernews.at keine Haftung.
Quelle: » http://www.welt.de