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EZB gefährdet ihre Glaubwürdigkeit

21.07.2008 , 10:53 Uhr IWF-Studie
von Olaf Storbeck

Die bisherige geldpolitische Strategie der EZB bedroht auf Dauer ihre Reputation. Zu diesem brisanten Fazit kommen drei Makro-Ökonomen, die im Auftrag des IWF das EZB-Konzept analysiert haben. Lesen Sie, warum die Forscher der EZB dringend eine Abkehr von der „Zwei-Säulen-Strategie“ empfehlen.

Welchen Regeln und Prinzipien sollte die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) gehorchen? Über diese Frage tobt seit Jahren heftiger Streit – zwischen der Notenbank und Hochschul-Professoren, aber auch innerhalb der EZB selbst.
Konkret geht es darum, welche Rolle die Geldmenge für die Zinspolitik spielen sollte. Die EZB misst der Frage, wie viel Geld im Umlauf ist, besondere Beachtung bei – weil sie glaubt, aus der Entwicklung der Geldmenge zusätzliche Informationen über Inflationsgefahren zu gewinnen. Damit folgt sie Bundesbank-Traditionen, ist aber unter Wissenschaftlern und Notenbänkern isoliert.
Kritiker fordern die EZB seit Jahren auf, ihre geldpolitische Strategie zu modernisieren und die Geldmenge über Bord zu werfen. Vor allem EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark und Bundesbank-Chef Axel Weber wehren sich dagegen mit Händen und Füßen.
Allerdings haben sie es immer schwerer, ihre Position glaubwürdig zu verteidigen. Jetzt stellt sich auch der Internationale Währungsfonds (IWF) hinter die Modernisierer. Drei Wissenschaftler, die im Auftrag des IWF die EZB-Strategie unter die Lupe genommen haben, empfehlen in einem jetzt vom IWF veröffentlichten Arbeitspapier: Die EZB sollte ihre so genannte Zwei-Säulen-Strategie aufgeben. In der einen Säule analysiert die EZB ökonomische Faktoren zur Konjunktur und Inflation, in der anderen die Entwicklung der Geldmenge.
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Der besondere Stellenwert, den das Geld für die EZB besitze, sei wissenschaftlich betrachtet nicht angemessen, lautet das Fazit des Papiers. Geldmenge und ökonomische Fundamentaldaten getrennt zu analysieren, sei nicht sinnvoll. „Es gibt starke Argumente dafür, die monetäre und die ökonomische Analyse in einem einheitlichen Rahmen zu präsentieren“, lautet das Fazit der Wissenschaftler.
Genau das lehnen die EZB-Traditionalisten strikt ab. Sollte diese Position weiter die Strategie der EZB bestimmen, dann setze die Notenbank auf Dauer ihre Reputation aufs Spiel, warnen die Autoren Helge Berger (FU Berlin), Thomas Harjes und Emil Stavrev (beide vom IWF). „Die derzeitige Lage könnte im Laufe der Zeit der Glaubwürdigkeit der EZB abträglich sein“, heißt es in ihrer Studie.
Rein formal handelt es sich bei dem Papier nicht um eine offizielle Position des Währungsfonds, sondern um die Forschungsergebnisse der drei Wissenschaftler. Nach Informationen des Handelsblatts fließt die Essenz der Studie aber in einen offiziellen IWF-Bericht zur Euro-Zone ein, der demnächst veröffentlicht wird.
Berger, Harjes und Stavrev kritisieren die bisherige EZB-Strategie gleich auf drei Ebenen – mit pragmatischen, theoretischen und empirischen Argumenten. Aus pragmatischer Sicht sei die Zwei-Säulen-Strategie in den vergangenen Jahren mehr oder weniger gescheitert – die Geldmenge sei regelmäßig deutlich stärker gestiegen als von der EZB angestrebt, ohne dass die Notenbank darauf mit Zinserhöhungen reagierte. Dies habe dazu geführt, dass die Finanzmärkte die EZB-Äußerungen zur Geldmenge nicht mehr ernst nähmen. Das laufe die Notenbank die Gefahr, auf Dauer ihre Berechenbarkeit zu verlieren. Eine der wichtigsten Waffen moderner Zentralbanken könne dadurch stumpf werden: die glaubwürdige Kommunikation mit den Finanzmärkten, durch die Zentralbanker die Inflationserwartungen klein halten können. Gelingt ihnen dies, können zum Beispiel bei Ölpreisschocks die Zinserhöhungen milder ausfallen, weil die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale geringer ist.
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Aus rein theoretischer Sicht gibt es nach Ansicht der IWF-Forscher keine schlagenden Argumente für die besondere Betonung der Geldmenge durch die EZB, schreiben die Forscher. Moderne makroökonomische Modelle erklären die Inflation oft ganz ohne die Geldmenge. Sie führen sie auf die Konjunktur-Lage zurück, die Inflation der Vorperiode, die Inflationserwartungen und exogene Schocks, zum Beispiel von Rohstoffpreisen.
Geld ist in diesen Modellen nicht mehr als eine Recheneinheit und hat keine eigene ökonomische Funktion. „Solche nicht-monetären Modelle liefern in der Regel bessere Inflationsprognosen als Modelle, die sich stark auf die Geldmenge stützen“, schreiben die Autoren. „Aus diesen Modellen folgt die Politikempfehlung: Die Zentralbanken wären gut beraten, Geldmengen-Entwicklungen komplett zu ignorieren“, heißt es daher in der Studie.
Ganz so weit wollen Berger, Harjes und Stavrev mit Blick auf die EZB dann aber doch nicht gehen. Es sei nicht nötig, die Geldmenge komplett über Bord zu werfen – mehr als ein Argument unter vielen sollte sie in einem einheitlichen Analyserahmen aber nicht sein.
In Modellrechnungen haben die IWF-Forscher herausgefunden: Je nach Modelltyp werden Inflationsprognosen treffsicherer, wenn man neben ökonomischen Fundamentaldaten auch die Geldmenge berücksichtige. Das deute darauf hin, die Geldmenge durchaus einige relevante Informationen zur Inflation enthalten – „aber der zusätzliche Mehrwert ist gering.“
Alles spreche daher dafür, die monetäre und die ökonomische Säule zusammenzulegen. „Die Rolle, die Geld in einem einheitlichen Analyserahmen noch spielt, dürfte eher gering sein.“

Quelle: http://www.handelsblatt.com