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Nr. 24, 5. Oktober 2007

Das Weltfinanzsystem wankt
Die Welt ertrinkt im Geldsumpf

Von Roland Baader, Waghäusel/Deutschland

Die Säulen des Weltfinanzsystems wanken. Der babylonische Turm droht einzustürzen - mit unabsehbaren Folgen. Das Gefahrenpotential der aktuellen Ereignisse mag man schon an einer einzigen Aktion erahnen: Mitte August haben die wichtigsten Zentralbanken der Welt den Banken innerhalb von nur zwei Tagen dreihundert Milliarden Dollar an zusätzlicher Liquidität zur Verfügung gestellt.
Das entsprach - um die Grössenordnung anschaulicher zu machen - einem Betrag von fünfzig Dollar auf jeden Kopf der sechs Milliarden Menschen umfassenden Weltbevölkerung. Wenige Tage später gab die amerikanische Zentralbank (Fed) eine eiserne Regel auf und öffnete ihr - eigentlich nur den Banken vorbehaltenes - Diskontfenster auch für Brokerfirmen. Somit konnte bespielsweise die Citybank ihrem Brokerhaus Citigroup Global Markets bis zu 25 Milliarden Dollar Liquiditätshilfen besorgen. Zwischenzeitlich sind Dutzende von US-Hypothekenbanken zusammengebrochen. Und demnächst werden die internationalen Grossbanken in apokalyptischem Umfang an rund 1'300 Milliarden Dollar Liquiditätsgarantien erinnert werden, die sie für Finanzierungsgesellschaften geleistet haben.
Titanic des Weltfinanzsystems
Was bisher an die Oberfläche kam, ist nur die Spitze eines Eisbergs, welcher für die Titanic des Weltfinanzsystems zur tödlichen Bedrohung werden kann. Entsprechend ernsthaft sollte sich die Analyse und Erklärung der Ursachen gestalten. Doch alles, was hierzu in den Medien zu hören und zu lesen ist, bleibt an der Oberfläche. Da ist von mangelnder Risiko-Transparenz die Rede und von leichtsinnigen Bankmanagern, von gierigen Anlegern und von grössenwahnsinnigen Hedge-Fonds, von undurchsichtigen Derivaten und von waghalsigen Carrytrades, von der bedenkenlosen Finanzierung quasi-betrügerischer Private Equity- Übernahmen, von Fonds-Automatik und korrumpierten Rating-Agenturen, von unseriösen Praktiken amerikanischer Hypothekenbanken und von der aberwitzigen Verschuldung der US-Bürger.
Zeit und Geld
Hundert Gründe und kausale Mechanismen der sich möglicherweise zum globalen Desaster ausweitenden Liquiditäts- und Verschuldungskrise werden benannt, nirgendwo aber die entscheidenden originären Ursachen. Um diese zu eruieren, ist ein kleiner Exkurs zum Thema Zeit und Geld vonnöten:
Zeit und Geld stehen in einem fundamentalen Austauschverhältnis. Wir Menschen kaufen Zeit mit Geld und Geld mit Zeit; wir werden mit Geld bezahlt oder mit Zeit, und wir bezahlen mit Geld oder mit Zeit. Unsere wertvollste - und somit auch knappste Ressource ist unsere Lebenszeit. Deshalb wird das, was die Ökonomen Zeitpräferenz nennen, zum massgeblichen Parameter für fast alle unsere Handlungen, Entscheidungen, Zielsetzungen, Planungen und Wahlakte. So hat beispielsweise ein kinder- und partnerloser Single in aller Regel eine höhere Zeitpräferenz als ein verheirateter Mann mit Kindern. Die Tatsache, dass der Single geringere Anreize hat, ein grösseres Vermögen zur Versorgung der überlebenden Familienmitglieder zu hinterlassen, führt normalerweise dazu, dass er Gegenwartsgüter in höherem Masse Zukunftsgütern vorzieht als ein Familienvater. Seine Sparneigung wird also vergleichsweise geringer sein und seine Konsumneigung grösser. Wie hoch diese Zeitpräferenzen bei beiden Männern (und bei allen Menschen) anzusiedeln sind - und wie sie sich im Zeitablauf verändern, hängt jedoch nicht nur von der individuellen Lebenssituationen ab, sondern ganz entscheidend auch vom jeweils herrschenden Zinsniveau. So wird z.B. bei vielen Menschen der Entschluss, sich ein Haus zu bauen oder eine Wohnung zu kaufen, gewisser und früher zu erwarten sein bei einem niedrigen als bei einem hohen Darlehens- und Hypothekenzins.
Entsprechendes gilt für die Investitionsentscheidungen der Unternehmer, und zwar sowohl was deren Umfang betrifft als auch deren Art und zeitliche Dimension.
Zins als Leitfaktor
Dieser Zusammenhang zwischen Zeitpräferenzen, Konsum- und Sparverhalten sowie Investitionstätigkeit einerseits und dem Marktzins andererseits, besteht jedoch auch in umgekehrter Richtung. Das heisst: Das Konsum-, Spar- und Investitionsverhalten der Menschen bestimmt auch (neben Risikoeinschätzung und Inflationserwartung als weitere Bestimmungsfaktoren) in ihrer Gesamtheit die Höhe des jeweils herrschenden Marktzinses. Beide Sphären stehen in wechselseitiger Beziehung zueinander. Was man also nicht deutlich genug herausstellen kann, ist die Tatsache, dass der Zins den wichtigsten Lenk- und Leitfaktor im wirtschaftlichen Leben der Menschen darstellt (und dieses wirtschaftliche Leben ist weit mehr als das sog. "halbe Leben"). Damit sollte auch klar geworden sein, dass man geradezu von einem "Verbrechen an den Menschen und der Menschheit" reden kann, wenn der Zins den Kräften des freien Marktes entzogen und künstlich manipuliert wird. Wir werden dann von der wahren Präferenzskala unseres Lebens weggelockt und in die Irre geführt.
Genau das geschieht aber in fast beliebigem Ausmass seit der Gründung von Zentralbanken (vor allem seit Gründung des amerikanischen Federal Reserve Systems im Jahr 1913) - und in verstärktem Masse seit sich die zinspolitischen Irrlehren von Lord Keynes (in etwa seit dem Zweiten Weltkrieg) in die Hirne der Ökonomen und in die machtpolitischen Gemüter der Politiker hineingefressen haben. Schon die erste grosse Weltwirtschaftskrise der Jahre 1929 bis 1933 hatte - entgegen allen anders lautenden Nebel-Parolen - ihre Ursache in der vorangegangenen Zinspolitik der Fed.
Ozeane aus Papiergeld
Als eine Art Turbolader-Effekt kommt hinzu, dass die Zinspolitik der Zentralbanken - und die damit einhergehenden zusätzlichen Verzerrungen der Differenz zwischen realem und nominellem Zins - Ozeane aus Papiergeld erzeugt. Entgegen dem echten Geld (Goldgeld) entsteht das deckungslose Papiergeld (fiat money) ausschliesslich aus Verschuldungsakten. Wenn eine Zentralbank (aus "konjunkturellen Gründen") den Zins unter den Satz senkt, der sich auf freien Märkten ergeben hätte, ja oft sogar unter den Realzins (=Nominalzins minus Inflationsrate), dann steigt die Verschuldungsbereitschaft der Konsumenten und Investoren, der "Finanzindustrie" und der Anleger ins Uferlose. Nur durch die wachsende Verschuldungsbereitschaft (und durch die astronomische Staatsverschuldung) kommt das neue, aus "heisser Luft" geschaffene Papiergeld in den Geldkreislauf. Das wiederum ist die Ursache der säkularen Inflation, welche die Zinsen zusätzlich verzerrt. Inflation ist Geldmengenvermehrung, nichts anderes, und die sog. Preisinflation wird nicht von den "bösen Konzernen" gemacht, sondern ist die Folge der Geldmengenvermehrung. Nicht ohne Grund hat der Dollar seit seiner endgültigen Loslösung vom Gold im Jahr 1971 mehr als 95 Prozent seiner Kaufkraft verloren (DM/Euro und Franken standen ihm dabei nicht viel nach). Und die schreckliche Tatsache, dass heute einem Welt-Sozialprodukt von rund 50'000 Milliarden Dollar ein Sechsfaches (300'000 Milliarden Dollar) an liquiden Finanzanlagen gegenübersteht - und ein Fünffaches an Schulden, ist der Stoff, aus dem die Albträume eines einstürzenden Weltfinanzsystems sind.
Rückkehr zum Goldgeld
Ob der Weg in den finanziellen Schüttelfrost über schwere Depressionen oder über eine sich beschleunigende Hyperinflation (oder über beides zugleich oder nacheinander) führt, ist eine offene Frage. Sicher ist das nachtschwarze Ende, dem wahrscheinlich (wieder einmal) politische Diktaturen folgen werden. Und auch wenn es den vereinigten Aktionen der Zentralbanken, Banken und Regierungen gelingen sollte, den finalen Kollaps zu vermeiden, so werden die zur "Rettung" erzeugten Geldfluten die Dämme ein Jahr oder einige Jahre später um so wuchtiger zum Einsturz bringen. Wenn die wichtigen Nationen nicht das sozialistische (staatsmonopolistische) Geld aufgeben und zum echten Geld (Goldgeld) zurückkehren, und wenn sie nicht die Tore ihrer planwirtschaftlichen Inflationsmaschinen namens Zentralbanken für alle Zeit schliessen, wird die Welt im Ozean des betrügerischen Scheingeldes und in der Kloake des staatlichen Schuldensumpfes ertrinken.

Roland Baader