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Angst vor der Great Depression II

von Olaf Storbeck
Die Regierungen müssen schnell handeln, um eine Wirtschaftskatastrophe zu verhindern. Das fordern US-Ökonomen auf ihrer Jahrestagung in San Francisco. Allgemeine Steuersenkungen lehnten sie jedoch ab und plädierten für eine massive Erhöhung der direkten Staatsausgaben.

SAN FRANCISCO. Sogar Martin Feldstein. Sogar dieser 69-jährige Harvard-Professor, eine Ikone der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik, der seit den 70er-Jahren „Mehr Markt, weniger Staat“ predigt. Sogar dieser so betont konservative Ökonom hat jetzt John Maynard Keynes wiederentdeckt – und plädiert für ein massives staatliches Konjunkturprogramm, um die Wirtschaft vor dem Kollaps zu retten.
„Die Staatsausgaben müssen steigen – und zwar schnell und deutlich“, sagte Feldstein Anfang Januar auf der Jahrestagung der American Economic Association (AEA) in San Francisco. Leicht falle ihm dieser Rat nicht, schließlich sei er in Budgetfragen eigentlich ausgesprochen konservativ, räumte er ein. Aber er sehe im Moment keine Alternative.
Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise war das zentrale Thema auf der Ökonomen-Konferenz, für die mehr als 10000 Wissenschaftler an die amerikanische Westküste gereist waren. Anders als in Deutschland waren sich in San Francisco international hochkarätige Makroökonomen über alle Denkschulen hinweg einig: Die Industrieländer sollten schnell große und international koordinierte Konjunkturpakete beschließen, die vielschichtig sind, rasch wirken und bei Bedarf ausgedehnt werden können.
„Vor zwei Jahren noch herrschte breiter Konsens, dass Fiskalpolitik nicht sinnvoll ist“, sagte Feldstein. „Heute sprechen sich auch Forscher, die noch vor kurzem sehr ablehnend waren, dafür aus.“
Immer mehr Ökonomen sind davon überzeugt, dass die Weltwirtschaft derzeit einen historisch beispiellosen Einbruch der Nachfrage erlebt. Im schlimmsten Fall könne sich die Situation zu einer zweiten „Great Depression“ ausweiten, fürchten Experten. Es bestehe die akute Gefahr einer sich selbst verstärkenden Abwärtsspirale aus Deflation, steigenden Schulden und neuen Problemen im Finanzsektor.
Eine Reihe hochkarätiger Wissenschaftler warnt inzwischen sogar ausdrücklich vor einer zweiten „großen Depression“. Das Risiko sei zwar klein, aber im höchsten Maße gefährlich, sagte Olivier Blanchard, Chefökonom des Internationalen Währungsfonds und Makro-Professor am MIT, in San Francisco.
Der ehemalige Fed-Gouverneur und heutige Columbia-Professor Frederic Mishkin ist überzeugt: „Der Schock, der aus dem Finanzsystem kommt, ist in dieser Krise größer als in der Great Depression.“
Nobelpreisträger Paul Krugman war zwar in San Francisco nicht dabei, warnte aber zeitgleich in der „New York Times“: „Es sieht derzeit ziemlich stark nach dem Beginn einer zweiten ,Great Depression' aus.“
Um eine ökonomische Megakatastrophe wie in den 30er-Jahren zu verhindern, forderten die Wissenschaftler in San Francisco die Industrieländer auf, schnell zu handeln. Die Erfahrungen aus früheren Finanzkrisen hätten gezeigt: Eine zögerliche Geld- und Wirtschaftpolitik mache die makroökonomischen Probleme nur noch schlimmer. „Graduelles Vorgehen ist in der aktuellen Situation völlig unangemessen“, betonte Mishkin.
Der besondere Charakter der derzeitigen Krise führe dazu, dass zwei in der Vergangenheit häufig angewendete Strategien dieses Mal wenig erfolgversprechend seien, betonte IWF-Chefvolkswirt Blanchard. Alle Versuche, sich mit steigenden Exporten aus der Krise zu befreien, seien wegen der globalen Dimension der Rezession zum Scheitern verurteilt. Zudem komme die traditionelle Geldpolitik an ihre Grenzen. Sie sei zwar nicht vollkommen wirkungslos, aber allein über niedrigere Leitzinsen lasse sich die Nachfrage diesmal nicht stimulieren.
Von allgemeinen Steuersenkungen, wie sie viele deutsche Politiker und Ökonomen fordern, rieten in San Francisco zahlreiche Volkswirte ab. Diese seien teuer, mit hohen Streuverlusten verbunden und später nur schwer zurückzunehmen. Es bestehe vor allem die Gefahr, dass Haushalte und Unternehmen das zusätzliche Geld horten, statt es auszugeben. „Steuersenkungen helfen derzeit nicht“, davon ist Feldstein überzeigt.
Auch eine niedrigere Mehrwertsteuer für eine begrenzte Zeit, wie sie die britische Regierung beschlossen hat, sahen viele Experten kritisch. „Ich bin sehr skeptisch, ob zwei Prozentpunkte weniger Mehrwertsteuer eine spürbare Wirkung haben werden“, sagte Blanchard. „Ich glaube, die Konsumenten werden das ignorieren.“ Zudem sei unklar, ob die Einzelhändler die niedrigeren Steuern überhaupt an die Verbraucher weitergeben.
Wenn der Staat den privaten Konsum direkt stützen wolle, dann seien größere, zielgerichtete Konsumanreize sinnvoller, argumentierte Blanchard. Als Beispiel nannte er zweckgebundene Konsumschecks, etwa für den Kauf von umweltfreundlicheren Neuwagen. Generell sollte der Staat direkte Hilfen auf die Menschen konzentrieren, die unmittelbar und stark von der Krise getroffen sind – zum Beispiel, weil sie ihren Job verloren haben oder ihre Hypotheken nicht mehr bezahlen können. Bei diesen Problemgruppen sei die Wahrscheinlichkeit höher, dass das Geld nicht auf dem Sparbuch lande.
Als wichtigste Versicherung gegen eine zweite „Great Depression“ sahen viele Wirtschaftswissenschaftler eine vorübergehende, aber große Ausweitung der direkten Staatsausgaben. Selbst Notenbanker, die traditionell einer schuldenfinanzierten Konjunkturpolitik besonders skeptisch gegenüberstehen, plädieren dafür. „Derzeit gibt es außergewöhnlich starke Argumente für eine aktive staatliche Konjunkturpolitik“, sagte Janet Yellen, Präsidentin der Federal Reserve in San Francisco. „Wir müssen alle Register ziehen.“
Konkret empfahl Martin Feldstein der US-Regierung, 2009 und 2010 jeweils 300 bis 400 Milliarden Doller in die Wirtschaft zu pumpen – so groß sei der zu erwartende Ausfall an privater Nachfrage. Das Geld solle nicht nur in Straßen und Brücken investiert werden, der konservative Feldstein empfahl auch eine Aufstockung des Verteidigungsbudgets.
Zahlreiche Gegenargumente, die in normalen Zeiten zu Recht gegen eine solche Politik angebracht würden, hätten derzeit an Gewicht verloren, argumentierten Feldstein und Blanchard. Dass die höheren Staatsausgaben auf den Finanzmärkten die Zinsen hochtrieben und dadurch private Aktivitäten verdrängten, sei angesichts der extrem lockeren Geldpolitik unwahrscheinlich. Auch eine Überhitzung der Konjunktur und steigende Inflation seien angesichts der derzeitigen Konjunkturschwäche nicht zu befürchten.
Dass staatliche Nachfrageprogramme erst zeitverzögert wirken und daher in der Vergangenheit oft zu spät kamen, falle momentan nicht ins Gewicht, weil die derzeitige Rezession deutlich länger dauern dürfte. „Die durchschnittliche Rezession war in der Vergangenheit nach zwölf Monaten wieder vorbei“, sagte Feldstein. „Diese hier läuft schon seit einem Jahr, und wir können von Glück reden, wenn sie 2009 endet.“
Allerdings reichen keynesianische Konjunkturprogramme allein nach Ansicht der Forscher nicht, um die Krise zu beenden. Die Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigten: Wer eine durch eine Bankenkrise verursachte Rezession überwinden will, muss zuerst die Probleme im Finanzsektor nachhaltig lösen. „Das ist bislang nicht passiert“, kritisierte Harvard-Ökonom Ken Rogoff in San Francisco. Marode Banken müssten im Zweifel durch den Staat auf kontrollierte Weise geschlossen werden. Wie in Japan schrecke die US-Regierung davor bislang zurück. Rogoff: „Jedes Mal, wenn ich heute höre, die Situation heute sei anders als in Japan, fühle ich mich ein bisschen mehr wie in Japan.“
Auch die Psychologie spielt eine erhebliche Rolle, damit die Krise zu Ende geht. Mit einem berechenbaren und klaren Kurs müsse die Politik versuchen, die Unsicherheit bei Unternehmen und Verbrauchern zu reduzieren und die Erwartungen zu stabilisieren, unterstrichen die Makro-Experten. Die Regierungen der Industrieländer sollten eine klare und glaubwürdige Selbstverpflichtung abgeben, dass sie alles tun, um eine neue „Great Depression“ zu verhindern, forderte Blanchard. Das könne die Verbraucher dazu bringen, ihr Angst-Sparen einzuschränken und wieder mehr Geld auszugeben.

Dieser Beitrag wurde nicht geprüft, www.silbernews.at übernimmt keine Verantwortung für Angemessenheit oder Genauigkeit dieser Mitteilung. Quelle: http://www.handelsblatt.com