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„Ich wünschte, wir hätten alles hinter uns“

von Rolf Benders
Angst und Unsicherheit beherrschen die Banker an der New Yorker Börse: Seit dem Kollaps der Investmentbank Bear Stearns im März leihen sich die Kreditinstitute kein Geld mehr, aus Angst vor einer möglichen Zahlungsunfähigkeit ihrer Geschäftspartner. Noch schlimmer wiegt die Angst vor einer Panik der Verbraucher - der sichere Tod einer Bank.

NEW YORK. Es ist die penetrant lange klingelnde Eröffnungsglocke, untermalt von einem ebenso penetrant künstlich wirkenden Applaus, der die Parketthändler an der New Yorker Börse jeden Morgen kurz aus ihren Gedanken reißt. Gedanken, die sich derzeit nur um ein Thema drehen: Angst. Angst, nach den Finanzmarktlegenden Merrill Lynch und Lehman Brothers am Wochenende sowie dem Versicherungsgiganten AIG am Mittwoch könnte bald das nächste Wall-Street-Flagschiff von der Krise aufgefressen werden. Manchmal, wenn der Dow Jones zur Eröffnung 300 Punkte fällt, kommt auch Panik auf, es könnte wieder ein Tag voller Unfassbarkeiten sein.
"Niemand weiß, welche Institution bei welchem Pleitier wie stark engagiert ist", sagt Gordon Charlop von Rosenblatt Securities. Das mache die Unsicherheit so groß. "Egal was die Banken und die Aufsichtsbehörden sagen, die Angst ist riesig. Vielleicht haben wir bisher nur die Spitze des Eisbergs gesehen", sagt er zu den Abschreibungen von mehr als 500 Milliarden Dollar weltweit.
Was Charlop meint und seine Kollegen auf dem schmutzig braunen Parkett umtreibt, ist vor allem die Angst der Banker selbst. Die Angst in den Kreditinstituten, die sich seit dem Kollaps der Investmentbank Bear Stearns im März kein Geld mehr leihen. Zu groß ist die Furcht vor einer Zahlungsunfähigkeit der Geschäftspartner. Dies kann dann - wie bei AIG geschehen - auch grundsolide Firmen wegen kurzfristiger Liquiditätsnöte an den Rand des Ruins treiben.
Charlop meint auch die Angst der Anleger, die Bankenaktien verkaufen. Nachdem sich allein durch den Kollaps von Lehman Brothers binnen eines Jahres ein Börsenwert von 45 Milliarden Dollar in Luft aufgelöst hat, steigen viel aus. Abrutschende Kurse verschärfen das Misstrauen der Institute untereinander. Die perfekte Abwärtsspirale.
Auf dem Parkett sieht man in diesen Tagen auch immer häufiger Händler mit Boulevardsblättern in der Hand. Nicht, um die Footballergebnisse nachzuschauen. Hier wird der Puls der Straße gefühlt. Denn seit auch die Massenmedien die Finanzkrise als Thema entdeckt und mit riesigen Überschriften bedenken, wächst in der Finanzszene die Angst vor der Panik der Verbraucher. "Die große Sorge ist, dass die Verunsicherung von den Märkten auf die Verbraucher überspringt. Wenn die anfangen, sich über die Sicherheit ihrer Konten sorgen zu machen, wird es wirklich brenzlig", sagt Arthur Chin, UBS-Händler auf dem New Yorker Parkett - und wendet sich mit einem entschuldigenden Blick wieder den fallenden Kursen zu. Es ist die Horrorvorstellung schlechthin: In Panik geratene Kunden stehen in langen Schlangen vor den Bankschaltern und räumen ihre Konten leer: der sichere Tod einer Bank.
Während die Angst auf dem Parkett anhand der fallenden Kurse messbar ist, ist sie anderenorts in der Finanzmetropole New York nur indirekt spürbar. Mitten im Amüsierbetrieb um den Times Square, umgeben von Broadway-Shows und "Gentlemen Clubs" liegen der Ausgangs- und der mögliche Endpunkt dieser Horrorwoche. Amüsierwillige Touristen und New Yorker umströmen die Hauptquartiere von Lehman Brothers und Morgan Stanley.
Auch Tage nach dem Konkursantrag stehen noch Übertragungswagen der großen TV-Sender vor dem Lehman-Hauptquartier. Dazwischen - passend zu der absehbaren Entlassungswelle - bittet ein Bus des New Yorker Blutspendedienstes zum Aderlass. "Jetzt habe ich Zeit und mal etwas Gutes tun", sagt ein auf den Bus zustrebender Lehman-Banker schon fast etwas fatalistisch.
Neben der Pleitebank hocken drei junge, augenscheinlich bislang erfolgsverwöhnte Banker im schicken Restaurant "Hawaiin Tropic" und beraten über ihre Zukunft. "Vielleicht sollten wir es machen, wie ein schon entlassenen Kollege: Ab nach Kalifornien und da die Krise überstehen", meint der Wortführer der Gruppe. Von den gut 26 000 Lehman-Mitarbeitern dürften Schätzungen zufolge bis zu 10 000 ihre Stelle verlieren.
Und selbst die, die bleiben, sehen sich plötzlich leeren Konten gegenüber. Ein Großteil des Verdiensts wurde in Lehman-Aktien gezahlt; rund 30 Prozent der Firma gehörte den Angestellten. Bei einem Kurs von zuletzt 20 Cent ist davon praktisch nichts mehr übrig.
Den Kursverfall der Lehman-Aktie bekommt der Juwelier "Martinqiue" gegenüber der Bank bereits seit zwei Monaten zu spüren. "Es kamen einige Lehman-Angestellte und kauften etwa eine Kette zum Geburtstag der Ehefrau. Einige brachte sie aber wieder zurück, nachdem sie daheim gehört hatten, dass man das Geld wohl bald besser brauchen könne", sagt Eigentümer Alan Tobias.
Nur einen Steinwurf von Lehman entfernt liegt das Hauptgebäude von Morgan Stanley, einer der beiden letzten - noch - unabhängigen US-Investmentbanken. Davor eine lange Schlange von Touristen, die für einen Platz in einem offenen Doppeldecker anstehen. "Wollen wir hoffen, dass solche Schlangen demnächst nicht vor den großen Banken stehen", sagt ein Morgan-Banker. "Es ist beängstigend", meint ein anderer zum Kursverfall der Aktie von 30 Prozent an einem Tag: "Jetzt erfasst die Angst am Markt auch uns."
Einigermaßen gewichen ist die Angst am Abend nur vor dem Hauptquartier der Versicherung AIG, die am Mittwoch von der Regierung gerettet wird. "Wir sind erleichtert, dass unsere Jobs jetzt sicher sind", sagt ein Angestellter auf dem Heimweg. Für die Branche ist er weniger optimistisch: "Ich wünsche, wir hätten schon alles hinter uns, aber ich fürchte, wir sind noch mitten drin." Von Entwarnung ist also noch nichts zu spüren. Die Händler am Parkett dürften auch heute wieder angstvoll auf die Glocke warten.

Dieser Beitrag wurde nicht geprüft, www.silbernews.at übernimmt keine Verantwortung für Angemessenheit oder Genauigkeit dieser Mitteilung. Quelle: http://www.handelsblatt.com