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Rezession? Von wegen!

von Olaf Storbeck
Die meisten Experten sind sich einig: Die US-Wirtschaft ist mitten in der Rezession - oder steht zumindest unmittelbar davor. Umso überraschender ist da eine neue Studie von zwei US-Volkswirten. Die kommt zu dem Schluss: Die Lage ist viel besser, als es die meisten Beobachter meinen. Lesen wie, wie die Forscher ihr Urteil begründen.

Es gibt sie noch, die guten Nachrichten. Selbst in den Zeiten der Finanz- und Immobilienkrise, sogar für die derzeit ziemlich angeschlagene US-Konjunktur: "Die amerikanische Wirtschaft ist von einer Rezession noch weit entfernt." Zu diesem Fazit kommt eine jetzt veröffentlichte Studie der US-Wissenschaftler Edward Leamer und Chauncey Medberry, beide Professoren an der University of California, Los Angeles (UCLA). "Damit die amerikanische Wirtschaft die Schwelle zur Rezession überschreitet, müsste sich die Lage noch um einiges verschlimmern", heißt es in der Untersuchung.
Dieser positive Befund kommt überraschend. Nach Ansicht der meisten Konjunkturbeobachter steht die US-Wirtschaft entweder unmittelbar vor einer Rezession oder steckt schon mitten drin. Dieses Urteil jedoch fußt laut Leamer und Medberry aber mehr auf einem Bauchgefühl als auf objektiven ökonomischen Kriterien.
Die beiden UCLA-Ökonomen setzen dagegen bei ihrer Diagnose auf ein neues, von ihnen entwickeltes mathematisches Verfahren, das anhand objektiver Kriterien ermittelt, ob die US-Wirtschaft in der Rezession steckt. Die bislang gebräuchlichen Verfahren lehnen Leamer und Medberry allesamt wegen erheblicher Schwächen ab.
Am weitesten verbreitet ist bislang die Definition der "technischen Rezession". Die liegt vor, wenn die Wirtschaftsleistung zweimal in Folge im Vergleich zum Vorquartal schrumpft. Diese Art und Weise, Rezession zu bestimmen, ist zwar recht griffig, krankt aber vor allem daran, dass die Behörden ihre BIP-Statistiken im Nachhinein oft deutlich korrigieren. Nach solchen Revisionen sieht das Konjunktur-Bild mitunter vollkommen anders aus als vorher. Aus heutiger Sicht zum Beispiel war das Kriterium von zwei Minus-Quartalen in Folge für die US-Wirtschaft nach dem Platzen der Börsenblase im Jahr 2001 überhaupt nicht erfüllt.
Das US-Forschernetzwerk National Bureau of Economic Research (NBER), das ein Expertengremium zur Analyse der US-Konjunktur hat, arbeitet daher mit einer breiteren Rezessionsdefinition. Statt mechanistisch auf die BIP-Daten zu schauen, betrachtet das "Business Cycle Dating Committee" ein Bündel verschiedener Konjunktur-Indikatoren. Demnach befand sich die US-Wirtschaft zuletzt von März bis November 2001 in einer Rezession.
Leamer und Medberry halten das Vorgehen des NBER für intransparent. Es basiere nicht auf objektiven Kriterien, die Außenstehende überprüfen könnten. Letztlich liege es im Ermessen von wenigen Professoren, Anfang und Ende einer Rezession auszurufen. Angesichts der großen Bedeutung des Themas sei dies unbefriedigend.

Leamer und Medberry haben daher ein mathematisches Verfahren zur Diagnose von Rezessionen entwickelt, das auf objektiven Daten und Fakten basiert, aber weniger störungsanfällig ist als der bloße Blick auf die Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts von Quartal zu Quartal. Ihr Ausgangspunkt sind monatliche Daten zur Lage des Arbeitsmarkts und zur Industrieproduktion. Diese analysieren sie in einem zweistufigen Verfahren.
Zunächst untersuchen sie, ob bestimmte Schwellenwerte, die Rezessionsgefahr signalisieren, überschritten werden - zum Beispiel, ob die Industrieproduktion oder die Zahl der Beschäftigten mehrere Monate lang stark fallen. Ist dies der Fall, suchen die Ökonomen in den einzelnen Zeitreihen nach Trend-Brüchen, um den oberen und unteren Wendepunkt zu ermitteln.
Füttert man das Modell mit historischen Wirtschaftsdaten, so stimmen die Ergebnisse recht genau mit den Einschätzungen des "Business Cycle Dating Committees" überein. Nach Ansicht der NBER-Experten befand sich die US-Wirtschaft seit dem Zweiten Weltkrieg elfmal in der Rezession - zehn dieser Abschwünge diagnostiziert auch das Leamer-Medberry-Verfahren als solche, häufig sogar bis auf den Monat genau. Und: Mit Blick auf die aktuelle Lage signalisiert das Modell bislang keine Rezession.
Das bedeutet nach Ansicht von Leamer und Medberry allerdings nicht, dass es um die US-Konjunktur rosig bestellt sei. Denn die Forscher sehen die US-Wirtschaft vor einem generellen ökonomischen Strukturbruch - und zwar mit Blick auf die Entwicklung des privaten Verbrauchs. In den vergangenen 25 Jahren seien die Amerikaner in einem regelrechten Konsumrausch gewesen - ermöglicht durch niedrige Zinsen, Steuersenkungen und Finanzinnovationen. Dieser "verschwenderische Lebensstil" lasse sich nicht länger aufrechterhalten - unter anderem wegen der höheren Energiepreise und des schlechteren Zugangs zu neuen Krediten.
Daher sei es unwahrscheinlich, dass sich die derzeitige Konjunkturschwäche als vorübergehende Delle erweist, nach der die Wirtschaft zwei Jahre später wieder dort ist, wo sie vorher war. "Nach ökonomischen Strukturbrüchen gibt es so schnell keine Rückkehr zu den alten Zeiten", schreiben die Ökonomen. Ein Beispiel für solch einen Strukturbruch sei der Einbruch der IT-Investitionen nach dem Platzen der Internetblase um die Jahrtausendwende.
"Die strukturellen Anpassungen, die vor uns liegen, dürften eine ganze Weile mit schleppendem Wachstum und schwachen Arbeitsmärkten verbunden sein", befürchten Leamer und Medberry. "Das ist eine Misere, aber keine Rezession".

Quelle: http://www.handelsblatt.com