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„Die Inflation wird uns lange beschäftigen“

von Sven Afhüppe und Donata Riedel
Finanzminister Peer Steinbrück geht davon aus, dass die weltweite Teuerung auch Deutschland noch einige Zeit beschäftigen wird. Im Handelsblatt-Interview spricht der Minister über Abwährtsrisiken, die Lehren aus den 70er-Jahren und die Probleme deutscher Banken.

Herr Steinbrück, Altkanzler Helmut Schmidt hat einmal die These aufgestellt, dass fünf Prozent Inflation besser seien als fünf Prozent Arbeitslosigkeit. Was halten Sie davon?
Diese These ist immer umstritten gewesen. Die Inflation ist ein Problem. Sie entwertet Vermögen, und sie trifft insbesondere diejenigen, die ein dünnes Portemonnaie haben. Sie ist daher auch ein soziales Problem, und ich würde sie nie ausspielen wollen gegen das andere große Problem, die Arbeitslosigkeit.
Am Wochenende haben Sie die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank kommentiert. Solche Sätze haben Sie sich bisher verkniffen.
Wir haben Konjunkturrisiken, deshalb kam von mir der Hinweis, dass die EZB in ihrem Abwägungsprozess sicher auch eins bedenken werde: Eine Zinserhöhung kann ambivalente Wirkungen haben, indem sie bei der Inflationsbekämpfung hilft, aber womöglich einen Abwärtsswing der Konjunktur verstärken könnte. Hinzu kommt, dass sich die Schere zwischen der Zinsentwicklung in Europa und den USA weiter öffnet und den Aufwertungsdruck des Euros zum Dollar tendenziell verstärkt. Trotz dieser Hinweise können Sie sicher sein, dass ich die Unabhängigkeit der EZB weiter bis zu meinem letzten Blutstropfen verteidigen werde. Daher fand ich es eher merkwürdig, mit wem ich da in einen Topf geworfen wurde.
In Union und SPD grübelt man, wie den Bürgern wegen der hohen Inflation mit Steuersubventionen geholfen werden kann. Wie wollen Sie das verhindern?
Indem ich für eine Langfrist-Orientierung werbe. Wenn ich jetzt anfangen würde, die Energiepreise zu subventionieren, was mache ich dann bei weiter steigenden Ölpreisen? Muss ich dann immer mehr subventionieren? Bei 150 Dollar das Barrel wieder? Und dann bei 190 Dollar. Das ist dann wie ein Hase-und-Igel-Rennen, das Sie nie gewinnen können. Statt über kurzfristige Trostpflaster zu debattieren, müssen wir darüber reden, wie die Energieeffizienz verbessert werden kann und wir uns über alternative Strategien unabhängiger von Energieimporten und damit der Preisentwicklung auf den Energiemärkten machen. Ob mit Blick auf die wirklich sehr Bedürftigen Sozialkomponenten entwickelt werden müssen – das Wohngeld haben wir gerade erhöht –, will ich nicht ausschließen.
Welche könnten das sein?
Es macht keinen Sinn, die Debatte mit unausgegorenen Stichworten anzuheizen.
Wie wäre es mit einer Atomstromsteuer oder Sonderabgaben für Energiekonzerne, die Ihre Parteifreunde vorschlagen?
Davon halte ich nicht viel, weil sich daraus ja Strompreissteigerungen – auch für die Wirtschaft – ergeben.
Eine Entlastung auf breiter Front wird es also nicht geben?
Ich halte es für falsch zu glauben, man könnte sich weltweiten Nachfrageentwicklungen national entgegenstellen. Das wird uferlos. Das zerreißt mir den Haushalt.
Ist die Inflation eigentlich ein kurzfristiges oder eher ein dauerhaftes Problem?
Ich fürchte, dass das Thema der weltweiten Inflationsentwicklung uns über einige Zeit beschäftigen wird. Die Nachfrage von 1,5 Milliarden Chinesen und einer Milliarde Inder nach Öl und Nahrungsmitteln wird hoch bleiben. Wir Europäer müssen uns damit beschäftigen, ob der weltweite Wohlstand nicht neu verteilt wird – auch und gerade zugunsten derjenigen, die Rohstoffe anbieten und dadurch erhebliche Währungsreserven anhäufen können. Zu glauben, man könnte diesem strukturellen Anpassungsdruck entgehen, indem man versucht, die Preissignale über Subventionen zu dämpfen, ist ein fataler Irrtum.
Hat die Politik aus den Fehlern der 70er-Jahre gelernt, als nach dem Ölpreisschock eine Lohn-Preis-Spirale begann, die über Jahre das Wachstum dämpfte?
Extrem hohe Lohnsteigerungen würden das Problem sicher verschärfen. Bisher sind derartige Zweitrunden-Effekte nicht festzustellen. Dass die Politik aus den 70er-Jahren gelernt hat, hoffe ich sehr. Aber wenn ich mir anschaue, wer da alles mit den Füßen scharrt, könnte die Hoffnung auch trügen.
Kommen Ihre Konjunktursorgen nur vom hohen Ölpreis? Oder liegen sie darin begründet, dass die Finanzmarktkrise doch nicht ganz ausgestanden ist?
Sicher, die Finanzmarktkrise ist nicht ausgestanden. Es kommt weiter zu Wertberichtigungen. Auch andere Konsumentenkredite in den USA könnten betroffen sein. Andererseits ist die US-Wirtschaft schneller darin, aus einem Tal auch wieder herauszukommen. Insofern muss man nicht allzu pessimistisch sein. Wir müssen aber wissen, dass dies Europa mit berührt.
Inflation, Ölpreisexplosion, Finanzkrise – rutscht die Weltkonjunktur in einen tiefen Abschwung?
Nein. Es gibt Abwärtsrisiken, aber keinen Wendepunkt, der uns veranlasst, über einen möglichen Einbruch der Weltwirtschaft nachzudenken. Das gilt auch für das wirtschaftliche Wachstum in Deutschland. Für die mittelfristige Finanzplanung gehen wir von sehr moderaten Wachstumsraten in den nächsten Jahren aus, die teilweise deutlich unter anderen Schätzungen liegen. Damit liegen wir auf der sicheren Seite und dürften keine bösen Überraschungen erleben. Sie können sicher sein, dass ich daran kein gesteigertes Interesse habe.
Die Konsolidierung im deutschen Bankensektor, gerade bei den Landesbanken, kommt kaum voran. Warum?
Die Frage richtet sich in erster Linie an die Landesbanken und ihre Gesellschafter. Ich kann nicht leugnen, dass ich die bisher mangelnde Konsolidierung unter den Landesbanken außerordentlich bedauere. Aber letztlich müssen die Landesbanken selbst darüber entscheiden, wie sie sich künftig aufstellen wollen.
Viele Politiker zweifeln an der Legitimation der Landesbanken.
Die Kritik ist berechtigt. Einige Landesbanken haben kein tragfähiges Geschäftsmodell. Stattdessen haben sie sich in der Sehnsucht nach Marge in Bereichen des Finanzmarktes engagiert, von denen sie offensichtlich keine Ahnung hatten. Sie haben leichtfertig Milliardenrisiken übernommen. Und das in einem Ausmaß, das in keinem Verhältnis zu ihrer Kapital- und Ertragskraft steht.
Sollte sich Deutschland nicht vom Drei-Säulen-Modell verabschieden?
Nein. Für mich überwiegen die Vorteile des dreigliedrigen Bankensystems in Deutschland. Ich gebe aber zu, dass damit auch Größenordnungsprobleme des deutschen Finanzsektors verbunden sind. Deshalb sollte es zunächst zu einer Konsolidierung innerhalb der jeweiligen Säulen kommen, damit die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Banken steigt. Unterm Strich hinkt der deutsche Finanzsektor der Bedeutung unserer Realwirtschaft im internationalen Vergleich hinterher.
Die Banken verdienen also zu wenig?
Die Gewinnmargen im deutschen Banksektor sind zu gering, um im weltweiten Wettbewerb mithalten zu können.
Die niedrigen Aktienkurse deutscher Banken sorgen regelmäßig für Spekulationen, dass sie von ausländischen Investoren geschluckt werden könnten.
Die Börsenkapitalisierung deutscher Banken ist in der Tat niedrig. Allerdings geht es anderen Banken im Ausland nicht anders. Teilweise sind dort die Aktienkurse um 50 Prozent und mehr eingebrochen. Die Gefahr von Übernahmen ist durch diese Banken geringer geworden.
Beruhigt Sie das?
In gewisser Weise schon. Ich bin an einem starken deutschen Finanzplatz mit nationalen Champions interessiert. Banken gehören für mich genauso wie Telekommunikation, Energie und Logistik zu den Schlüsselbranchen, die wir in Deutschland halten sollten.
Gilt das auch für den Postbank-Verkauf?
Der Verkaufsprozess läuft gerade – und jede öffentliche Einlassung des Finanzministers ist da kontraproduktiv.
Zumindest drängen Sie auf einen Verkauf bis zum Jahresende.
Es wäre wünschenswert, wenn wir noch in diesem Jahr einen neuen Partner für die Postbank finden könnten. Aber es wird keinen politischen Preis für eine nationale Lösung geben. Es gibt einen fairen Bieterwettbewerb. Alles andere können die operativ Verantwortlichen auch gar nicht vertreten.
Ein Verkauf der Postbank wird auf jeden Fall zu Arbeitsplatzverlusten führen. Lässt Sie das kalt?
Die Auswirkungen auf die deutschen Arbeitsplätze wird man bei den Verkaufsverhandlungen natürlich berücksichtigen müssen. Die beschäftigungspolitischen Aspekte spielen bei der Entscheidung eine ebenso wichtige Rolle wie der Verkaufserlös und das künftige Geschäftsmodell.

Quelle: http://www.handelsblatt.com