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Die Hasardeure des Silbermarktes

Von Judith Lembke

12. Februar 2009 Manchmal erweisen sich Namen im Nachhinein als Prophezeiungen. Als der Ölmagnat Harold Hunt seinem Sohn Nelson im Jahr 1926 den ungewöhnlichen Zweitnamen „Bunker“ verpasste, konnte er nicht wissen, dass der besagte Sohn 50 Jahre später als „The big bunker“ in die Finanzgeschichte eingehen würde. Gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder William und einigen befreundeten Investoren hatte er alle verfügbaren Zürcher Tresore angemietet, um dort einen großen Teil der gesamten Weltvorräte an Silber zu horten. Auch Nelson Bunker Hunt selbst zeigte in der Namensgebung eine ähnlich prophetische Gabe wie sein Vater. Voller Übermut taufte er auf dem Höhepunkt seines Reichtums einige seiner 700 Rennpferde auf Namen wie "Brauche Kleingeld", "Mist gebaut" und "überzogen" - ohne zu ahnen, wie treffend diese Wörter nur wenige Jahre später seine eigene Lage beschreiben würden.

Dynastie basiert auf Pokerspiel
Die Geschichte der Familie Hunt ist aus dem Stoff, aus dem die großen amerikanischen Romane des 20. Jahrhunderts gestrickt sind - und die amerikanischen Erfolgsserien der frühen achtziger Jahre wie Dallas oder Denver Clan. Es ist wohl auch kein Zufall, dass die Familiensaga der Hunt-Dynastie in Texas ihren Ursprung nahm. Der Gründer Harold Lafayette Hunt, genannt „Arizona-Slim“, erwarb seine erste Lizenz zum Ölbohren in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts am Kartentisch. Zuvor war er als Farmarbeiter und Holzfäller durch den Wilden Westen gezogen und hatte sich einen Namen als bester Pokerspieler weit und breit gemacht.
Den Aufstieg zum reichsten Mann Amerikas schaffte er in den dreißiger Jahren, als er das bis dahin größte Ölfeld Amerikas im texanischen Kilgore entdeckte. Während die meisten seiner Landsleute unter der Weltwirtschaftskrise litten, wurde er zum Multimillionär. Ende der vierziger Jahre kürte ihn das Magazin „Fortune“ noch vor den Rockefellers und Morgans zum reichsten Mann Amerikas. Als der Patriarch 1974 starb, übernahmen seine Söhne Nelson und William die Geschäfte.

Zweifel an Stabilität des Papiergeldes
Sie erbten von dem Vater nicht nur ein riesiges Vermögen, das vor allem aus Öl-Unternehmen bestand, sondern auch ein tiefes Misstrauen gegenüber dem Staat und seinem Wirtschaftssystem. Ebenso wie Harold waren sie von dem Gedanken besessen, dass Papiergeld letztlich wertlos sei. Weil sie davon überzeugt waren, dass sich die steigende Inflation der siebziger Jahre in den achtziger Jahren zu einer veritablen Hyperinflation auswachsen werde, investierten sie ihr Geld in Sachwerte - in Grundstücke, Rinderherden, Kunst, Immobilien und vor allem Silber. Auf das weiße Edelmetall kamen sie eher durch Zufall, weil der Goldbesitz für Privatleute in den Vereinigten Staaten seit 1933 streng limitiert war. Zudem war mit der Sowjetunion ausgerechnet der kommunistische Erzfeind der zweitgrößte Produzent der Welt.
Anfang der siebziger Jahre kauften die Brüder zunächst 200.000 Unzen Silber. Zwischen 1970 und 1973 verdoppelte sich der Preis auf 3 Dollar je Unze. Der Markt war damals wie heute recht eng und von limitierten Produktionskapazitäten geprägt. Richtig legten die Brüder jedoch erst nach dem Tod des übermächtigen Vaters los. Ab 1975 versuchten sie, die Oberhoheit über den Silbermarkt zu erlangen. Das Edelmetall war nicht nur als Schmuck geschätzt, sondern auch in der Industrieproduktion unverzichtbar.

Versuch, auf dem Silbermarkt Preismacht zu erlangen
Die Idee des Inflationsschutzes rückte für die Hunt-Brüder im Laufe der Zeit in den Hintergrund; immer mehr dominierte vielmehr der Gedanke, dass derjenige, der in den Besitz einer genügend großen Mengen des Edelmetalls gelangen würde, irgendwann jeden Preis verlangen könne. Die Idee ist nicht neu: Schon im 14. Jahrhundert versuchten italienische Handelshäuser die Macht über die englische Wollproduktion an sich zu reißen, um die Preise in die Höhe zu treiben und ihre flämischen Wettbewerber auszubluten.
Besonders ungewöhnlich war, dass sich die Brüder Hunt das Edelmetall physisch ausliefern ließen. Zu den Usancen des Edelmetallhandels gehört, dass die Käufer normalerweise Kontrakte an Terminbörsen erwerben, die das Recht verbriefen, zum Zeitpunkt X gegen die Zahlung einer bestimmten Summe das Edelmetall einkaufen zu dürfen.
Weil die Hunt-Brüder immer größere Silberschätze anhäuften, kletterte der Preis rasch nach oben. Als sie 1979 noch einmal 40 Millionen Unzen Silber erwarben, verdoppelte er sich auf 16 Dollar je Unze. Um den Weltmarkt unter Kontrolle zu bekommen, reichte jedoch selbst das Vermögen der texanischen Ölbarone nicht aus. Nachdem Allianzen mit dem Schah von Persien und dem saudischen König Faisal nicht zustande kamen, kauften sie immer mehr auf Kredit. Als Sicherheiten setzten sie ihren schon vorhandenen Silberschatz ein. Die Banken und Makler spielten eifrig mit bei diesem Geschäft, das einen eingebauten Turbo besaß: Je höher die Hunts gemeinsam mit einigen Investoren den Silberpreis jagten, desto mehr gewann der Inhalt in den Tresoren an Wert und damit auch ihre hinterlegten Sicherheiten - die sie wiederum nutzten, um noch mehr Silber auf Pump zu kaufen.

Silber mit Boeing-Maschinen in die Schweiz geflogen
Da die Brüder von ihrem Vater auch dessen skurrile politische Ansichten geerbt hatten, hielten sie die Vereinigten Staaten wegen angeblich revolutionärer Umtriebe und kommunistischer Unterwanderung nicht für den richtigen Ort, um ihren Silberschatz zu bunkern. Sie charterten drei leere Boeing-707-Flugzeuge, mit denen sie 40 Millionen Silberunzen in die Schweiz ausflogen, wo sie das Edelmetall in Banktresoren einlagerten. Langsam wurden die Verantwortlichen für die Rohstoffbörsen in New York und Chicago unruhig. Die Silbervorräte in ihren Lagerhäusern waren mittlerweile so geschrumpft, dass die Rohstoffhändler ihre Lieferverpflichtungen kaum noch erfüllen konnten. Zunächst versuchten die Börsenmanager zu verhandeln. Sie wandten sich mit der Bitte an Nelson Bunker, dass er ihnen einen Teil seines Silberschatzes verkaufen sollte, damit sie ihre Lieferengpässe beheben könnten. Doch er lehnte ab.
Unterdessen sprangen immer mehr Trittbrettfahrer auf den Zug auf, um von der Silber-Hausse zu profitieren - so dass der Preis in rasender Geschwindigkeit stieg. Die Hunts besaßen zu diesem Zeitpunkt 15 Prozent der globalen Silbervorräte und zwei Drittel der amerikanischen im Wert von 5 Milliarden Dollar. Das Nettovermögen der Hunts war auf geschätzte 13 Milliarden Dollar angestiegen.

New Yorker Börse zieht nach Preisschock die Notbremse
Als der Silberpreis in den ersten vier Wochen des Jahres 1980 von 35 Dollar je Unze auf 50 Dollar stieg, zogen die Verantwortlichen der New Yorker Rohstoffbörse die Notbremse. Sie untersagten den Kauf von Siber in größeren Mengen und erlaubten nur noch Verkäufe. Außerdem verlangten sie von einem Tag auf den anderen weitaus höhere Sicherheitseinlagen für ihre Terminkontrakte. Die Aktion war äußerst umstritten, zeigte jedoch schnell Wirkung: Vom Hoch bei 50 Dollar im Januar sackte der Preis rasch auf 41 Dollar ab. Nelson Bunkers Kritik, die Börse spiele nicht fair, wenn sie mitten im Spiel die Regeln ändere, verhallte ungehört.
Den Kursrutsch verstärkte, dass immer mehr Anleger nervös wurden und aus dem Rohstoffmarkt ausstiegen. Nun wurden auch die Banken unruhig und verlangten zusätzliche Sicherheiten für ihre Kredite. Trotz der Durchhalteparolen, die „The big bunker“ mitsamt der Botschaft in den Markt schickte, der Silberpreis werde bald auf 200 bis 300 Dollar steigen, sank der Wert des Silbers immer weiter. Mitte März kostete eine Unze weniger als 20 Dollar. Nur wenige Wochen später konnten die Brüder nicht einmal mehr 100 Millionen Dollar für eine fällige Zahlung an ihren Silbermakler aufbringen. Das Hunt-Imperium war zusammengebrochen.

Der Silbermarkt hat sich bis heute nicht von Schock erholt
Die Nachricht von der Zahlungsunfähigkeiten der Spekulanten verbreitete sich wie ein Lauffeuer. In wenigen Minuten sank der Silberpreis auf 11 Dollar. Unterdessen verkehrten sich die Befürchtungen der Comex-Verantwortlichen ins Gegenteil: Nun beunruhigten sie nicht mehr die Silber-Engpässe, sondern die Frage, was passieren würde, wenn die klammen Hunt-Brüder ihren Silberberg auf einen Schlag an den Rohstoffbörsen abliefern würden. Um noch größere Turbulenzen zu vermeiden, wurde unter dem damaligen Notenbankchef Paul Volcker ein Bankenkonsortium gebildet, das den Hunts mit einem Kredit von 1,1 Milliarden Dollar zur Seite sprang. Im Gegenzug mussten die Brüder einen großen Teil ihres Privatvermögens verpfänden und sich verpflichten, ihre Silbervorräte bis 1990 geordnet zu verkaufen.
Die Silberspekulation blieb jedoch nicht ohne Folgen - weder für die Familie Hunt noch für den Silbermarkt, der sich nach Ansicht vieler Fachleute noch immer nicht von seinem Schock erholt hat. Am Ende blieb den Brüdern nicht einmal ihre Münzsammlung, die als die umfangreichste und wertvollste Privatsammlung antiker Münzen galt. Sie kam 1990 mitsamt den Überresten des Huntschen Silberschatzes und vielen anderen Kunstobjekten unter den Hammer.

1988 Verurteilung der Hunts wegen Verschwörung zur Preismanipulation
Zwar beteuern die Brüder bis heute, dass sie den Markt nicht manipulieren wollten. Sie wurden jedoch 1988 von einem amerikanischen Gericht wegen der Verschwörung zur Preismanipulation verurteilt.
Mittlerweile fliegen die Brüder wieder Linie anstatt Privatjet und können sich auch ihre teuren Hobbys wie den Pferderennsport nicht mehr leisten. Aber immerhin haben sie sich mit ihrer riskanten Spekulation einen Platz in der Finanzgeschichte gesichert, wenn auch einen tragischen: Der texanische Geschichtsprofessor Allen Coleman meint, er kenne keinen anderen Fall, in dem ein so großer Reichtum in so kurzer Zeit verplempert worden sei.

Dieser Bericht wurde nicht geprüft. Für Richtigkeit der Angaben übernimmt Silbernews.at keine Haftung.
Quelle: » http://www.faz.net