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09.01.2008
"Eine Übertreibung sehen wir nicht"
Von Arvid Kaiser

1000 Dollar für eine Feinunze Gold? Noch in diesem Jahr könnte diese Marke durchbrochen werden, meint Eugen Weinberg. Der Goldexperte der Commerzbank erklärt im Interview, warum die Hoffnung mancher Anleger auf weiter steigende Goldpreise gar nicht abwegig ist.
mm.de: Herr Weinberg, heute hat der Goldpreis mit mehr als 890 Dollar je Feinunze den bisherigen Rekord vom 21. Januar 1980 gebrochen. Wer treibt den Preis so hoch?
Weinberg: Hauptsächlich sind das die Anleger, die vermehrt nach den börsennotierten Goldfonds nachfragen, den Exchange Traded Funds (ETFs).
mm.de: Heißt das, dies ist die Dienstmädchenhausse. Nach den strategischen institutionellen Investoren steigen nun also auch die Privatanleger als letzte ein?
Weinberg: Noch nicht die breite Masse, aber zunehmend. Auch beim Öl war das Interesse bei einem Stand von 30 Dollar bei weitem nicht so hoch wie jetzt bei 100 Dollar.
mm.de: Heißt das, die Privatanleger kommen zu spät?
Weinberg: Nein, ich glaube nicht, dass das zu spät ist. Ich glaube, dass der Preis in den nächsten Monaten durchaus über 900 Dollar hinaus steigen wird. Obwohl es im zweiten und dritten Quartal wahrscheinlich zu einer Korrektur kommen wird, weil im Moment auch der Optimismus sehr hoch ist, glaube ich, dass der Preis sich spätestens im vierten Quartal bei 900 Dollar stabilisieren wird. Auch ein Preis von 1000 Dollar wäre in diesem Jahr nicht auszuschließen.
mm.de: Optimismus mit Blick auf Gold heißt umgekehrt Pessimismus mit Blick auf Inflation, Öl , Konjunktur und Dollar ?
Weinberg: Nicht unbedingt, aber das ist auch ein Grund für die steigende Nachfrage.
mm.de: Wie sieht es fundamental auf dem Goldmarkt aus? Spielt das Verhältnis von Angebot und beispielsweise industrieller Nachfrage überhaupt eine Rolle?
Weinberg: Natürlich. Erstens bilden die Investoren, die jetzt hinzukommen, auch eine zusätzliche Nachfrage. Was früher über Optionen oder andere Goldderivate, die keinen physischen Bezug hatten, abgebildet wurde, läuft jetzt über Gold-ETFs. Aber diese Gold-ETFs fragen tatsächlich physisches Gold nach. Das heißt, das ist jetzt ein wichtiger Nachfragefaktor. Zusätzlich zur sowieso starken Nachfrage, die in den letzten Jahren mit zunehmendem Wohlstand besonders in Asien gestiegen ist. Mit steigender Konjunktur hat auch die Nachfrage in der Elektronikbranche zugenommen.
mm.de: Es heißt, die Asiaten dominieren den Markt für Goldschmuck.
Weinberg: Ja, im Februar läuft die Hochzeitssaison in Indien an, und das spielt eine große Rolle für den jetzigen Goldpreis. An einem Tag finden bis zu 10.000 Hochzeiten statt, da wird sehr viel Gold nachgefragt. Die Asiaten und besonders die Inder haben einen ganz anderen Bezug zu Gold als wir.
mm.de: Auf der anderen Seite wächst auch das Angebot. Die Europäische Zentralbank hat jüngst einen großen Teil ihrer Vorräte verkauft.
Weinberg: Ja, aber das ist relativ zu sehen. Was die Zentralbanken bisher verkauft haben, ist weit weniger, als man zuvor angedeutet hat. Vor einigen Jahren haben sich die Zentralbanken geeinigt, dass die Europäer nicht mehr als 500 Tonnen im Jahr verkaufen, damit der Preis nicht abstürzt. Jetzt hat sich der Preis aber mehr als verdreifacht und die Zentralbanken können oder wollen ihre Verkaufsquoten nicht erfüllen.
Die Verkäufe werden sehr groß angekündigt, um den Markt zu beruhigen. Eine Zentralbank ist nicht an einem steigenden Goldpreis interessiert. Gold macht zwar einen Anteil ihrer Reserven aus, der Preis ist aber auch ein Indikator für Inflation, die Zentralbanken bekämpfen sollen. Das wäre ein Nachweis für schlechte Arbeit. Und Gold ist auch eine Alternativwährung.
mm.de: Wie wird sich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage langfristig entwickeln? Viele Goldbullen argumentieren, dass die Förderung dauerhaft zurückgeht und die Vorräte irgendwann erschöpft sein werden. Sehen Sie eine Angebotslücke in den kommenden Jahren?
Weinberg: Natürlich. Im vergangenen Jahr haben viele damit gerechnet, dass das Angebot wegen des hohen Preises stark steigen würde. Das ist aber nicht passiert. Wir haben von Anfang an gesagt, dass diese Schätzungen nicht zutreffen. Auch für dieses Jahr erwartet man eine steigende Produktion. Wir glauben, dass die Produktion eher stagnieren wird, obwohl die Nachfrage sich erhöht.
Besonders beim größten Produzenten Südafrika wird die Produktion eher rückläufig sein. Es ist kein Wunder, dass Gold aus Tiefen von 4000 Metern auch bei diesen Preisen nicht profitabel abgebaut werden kann. Tatsächlich bringen viele Minen in Südafrika auch bei dem jetzigen Preisniveau keinen Gewinn.
mm.de: Der Preis müsste also noch erheblich steigen, und dann wären wieder Reserven zu mobilisieren?
Weinberg: Genau. Die Kosten sind so stark gestiegen, dass erst bei sehr viel höheren Preisen die Produktion stark angekurbelt würde. Man muss noch tiefer graben. Man fördert nicht nur wie früher bei einem Goldanteil von 5 Gramm pro Tonne Erz, man macht es auch bei 0,5 Gramm. Oder aber die Reserven kommen bei überhaupt keinem Preis mehr, weil die Minen wirklich ausgeschöpft sind.
Wichtig ist aber auch zu wissen, dass neben den etablierten Produzenten wie Südafrika, USA, Kanada, Australien, deren Produktion zurückgeht, ein neuer Akteur auftritt: China hat sich in wenigen Jahren zum zweitwichtigsten Produzenten entwickelt. Bei den anderen ist die Produktion geschrumpft, in China sehr stark gestiegen. Die Chinesen werden höchstwahrscheinlich in den nächsten zwei Jahren Südafrika den ersten Rang ablaufen.
mm.de: Aber sie können nicht das ausgleichen, was die anderen weniger auf den Markt liefern?
Weinberg: Nein. Aber Gold sollte auch nicht als Rohstoff angesehen werden. Viele Investmenthäuser und auch wir behandeln Gold als Währung.
mm.de: Zu einer Währung gehört aber auch eine Zentralbank oder eine andere Instanz, die Geld herausgeben kann, um die Menge den Bedürfnissen des Markts anzupassen. Es gibt jedoch Szenarien, dass in 30 bis 40 Jahren kaum noch neues Gold gefördert wird. Dann wäre nur noch das bereits geförderte Metall verfügbar.
Weinberg: Ich kaufe diese These nicht. Die Ressourcen werden uns auch in 100 Jahren nicht ausgehen. Die Kosten werden weiter steigen und damit auch die Preise, aber Gold, Öl und Gas wird auch für unsere Nachkommen noch ausreichen. Darüber sollte man sich keine Sorgen machen. So etwas wie Peak Gold wird es meines Erachtens nicht geben. Was es aber gibt, sind fehlerhafte Investmententscheidungen.
mm.de: Wenn der Preis langfristig steigt, ist Gold nicht mehr nur als Inflationsschutz interessant, sondern auch als Investment mit Blick auf die Wertsteigerung.
Weinberg: Natürlich, es ist auch aus spekulativen Gründen interessant. Hauptsächlich wird es zu Schutzzwecken als Hedging eingesetzt, oder in Gold wird die überschüssige Liquidität für einige Zeit geparkt. Aber die meisten Privatanleger kaufen Gold mit der Hoffnung, dass der Goldpreis steigt. Das ist auch nicht so abwegig.
mm.de: Lässt sich bei dem großen Einfluss der Spekulation so etwas wie ein fairer Wert ermitteln, der uns sagt, ob Gold bei einem bestimmten Preis über- oder unterbewertet ist?
Weinberg: Nein, das kann man so gut wie gar nicht. Aber man kann vergleichen mit den Preisen der Vergangenheit. Man kann 30 Jahre zurückgehen und die Preise um die Inflation bereinigen.
mm.de: Wie hoch wäre denn der Rekordstand von 1980, ausgedrückt in heutigen Preisen?
Weinberg: Wenn wir die damals erreichten 871 Dollar um die Inflation bereinigen, entspräche das einem jetzigen Preis von ungefähr 2000 Dollar.
mm.de: Das heißt, es ist noch Luft nach oben?
Weinberg: Eine Übertreibung, eine Euphorie sehen wir am Goldmarkt noch nicht.