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Finanzmoloch kontra Euroland

Samstag, 10. Dezember 2011, 08:38
Vor einer Woche fiel hier der Begriff „transatlantischer Geldkrieg“, jetzt offenbart sich dieser Krieg mit einer tragikomischen Variante: Großbritanniens Premier David Cameron ist zum EU-Gipfel nach Brüssel gereist, um wie ein Auswechselspieler, den sein Trainer die Bank drücken lässt, ohne dessen Einwilligung aufs Fußballfeld zu rennen und mitzuspielen. Was Günter Netzer bei Borussia Mönchengladbach 1973 gelang, bleibt dem Briten-Premier verwehrt: Er bekam von Angela Merkel, Nicolas Sarkozy & Co. mit 17 Euro-Ländern und neun EU-, aber noch nicht Euro-Ländern im Rücken die Rote Karte und zog schmollend von dannen, um seine Bockigkeit in London als Sieg feiern zu lassen – den die Briten ihm aber als Niederlage ankreiden.

Ein solches Benehmen ist nur zu verstehen, wenn man das Verhältnis Großbritanniens zu den USA im geschichtlichen Zusammenhang einbezieht: Sie kämpften im 2. Weltkrieg Seite an Seite, zogen gemeinsam in den Irak- und Afghanistan-Krieg und sprechen eine weitgehend gemeinsame Sprache, die international verwendet wird – in den EU-Gremien und als zweite Sprache in den meisten Ländern der Welt, sogar in China, wo man sich zumindest in den Metropolregionen auf englisch ganz gut durchkämpfen kann. Nur gibt es zwischen den USA und Großbritannien einen entscheidenden Unterschied: Die einen sind Weltmacht, die anderen längst nicht mehr.
Wirtschaftlich gesehen ist der Unterschied noch größer: Während die USA trotz der ganz verschiedenen wirtschaftlichen Strukturen der Großräume New York und Los Angeles, Atlanta und San Francisco einen zusammenhängenden Block mit derselben Währung (sogar einer Weltwährung) bilden, ist Großbritannien bezüglich Warenverkehr zwar mit Kontinentaleuropa verbunden, aber bei Weitem nicht so verwachsen wie Deutschland mit Frankreich, Italien oder den Niederlanden.
Ganz zu schweigen vom Britischen Pfund als ehemaliger Weltwährung. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich 1967 vor einem längeren Studienaufenthalt in Cambridge einen recht hohen Betrag Pfund gegen Mark zum Kurs von 1 zu 12 getauscht habe, entsprechend dem Verhältnis von 1 Pfund zu gut 6,12 Euro. Dagegen beträgt das aktuelle Verhältnis nach jahrzehntelanger Pfund-Talfahrt trotz zwischenzeitlicher Aufwärtsreaktionen nur noch 1 Pfund zu 1,17 Euro. Das entspricht einem Verlust der britischen Währung auf der Mark-Euro-Achse von fast 81 Prozent in 44 Jahren.
Dieser Währungsverfall verdeutlicht zunächst die Gegensätze zwischen Großbritannien und Deutschland. Geht man jedoch davon aus, dass Deutschland die führende kontinentaleuropäische Wirtschaftsmacht mit entsprechender Sogwirkung auf andere Euro-Länder bleibt, ist nicht abzusehen, ob die Pfund-Talfahrt jemals nachhaltig zu stoppen sein wird. Erschwerend kommt hinzu, dass die Briten sich im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte immer weniger um ihre Industrie gekümmert und stattdessen lieber einen auf London konzentrierten Finanzmoloch aufgebaut haben, dessen herausragende Aktivität im extrem zyklischen Investment Banking besteht. Kein Wunder also, dass Cameron auf dem Weg nach Brüssel außer dem Nein auf fast alles, was Kern-Europa beschloss, auch ein Papier zur Abwehr der Finanztransaktionssteuer bei sich trug.
Dass in London außerdem die Finanzaufsicht mit dem Namen European Banking Authority (EBA) ihr Unwesen treibt, hat sich mittlerweile ja schon herumgesprochen. Noch nicht ganz aber, dass ihre Bankenstresstests „Anarchie hoch zehn“ sind, wie die Börsen-Zeitung jetzt zu Recht anmahnt. Die Stresstests bescheinigen unter anderem den deutschen Banken Kapitallücken. Das mag im Einzelnen richtig sein, je nachdem, wie die EBA zu einem solchen Ergebnis gekommen ist. Doch beim letzten Punkt hakt es, denn die EBA habe „x-mal ihre Spielregeln frei Schnauze verändert“, merkt der mit dem Bankgeschäft sehr gut vertraute Börsen-Zeitung-Kommentator Bernd Wittkowski an - und stellt die rhetorische Frage: „Zufall oder Politik?“ An Zufälle mag im transatlantischen Geldkrieg ohnehin niemand mehr glauben.
Was folgt aus Camerons verpatztem Auftritt in Brüssel, aus der Instrumentalisierung der Briten durch die Amerikaner, aus der Pfund-Schwäche, der Finanzlastigkeit der britischen Wirtschaft und nicht zuletzt aus dem tolpatschigen Wirken der EBA? Ein Großteil der Medien hat sich auf ein Thema gestürzt, das vordergründig betrachtet besonders wichtig zu sein scheint: die Spaltung der EU. Doch das ist viel zu kurz gegriffen, weil die einzig wahren Spaltpilze nur aus London nach Brüssel gekommen und nach fehlgeschlagener Mission wieder frustriert abgereist sind. In Wahrheit wollen die Briten – auch im Auftrag der Amerikaner – die von den Euro-Ländern geplante Fiskalunion verhindern, also quasi die Vereinigten (Euro-)Staaten von Europa. Deren Vertrag soll nämlich schon im kommenden März Form annehmen. Bis dahin – bzw. alternativ bis zu dem Zeitpunkt, wenn er ratifiziert wird – dürfte es an den Börsen unruhig bleiben.
Und was folgt daraus? Die Unruhe wird nicht nur Risiken, sondern mit der Zeit zunehmend auch Chancen bieten: vor allem Chancen zum Einstieg in Aktien. Deren Kurse werden bis dahin ebenso stark schwanken wie die Edelmetallpreise. Dabei sind zwei mögliche Szenarien zu beachten:
Im Lauf der kommenden Monate droht ein scharfer Konjunktureinbruch. Dann nehmen die Aktien ihn mit kräftig sinkenden Kursen vorweg, die Europäische Zentralbank öffnet die Geldschleusen ganz weit, und Anleger favorisieren Gold als sogenannten sicheren Hafen, während Silber weniger im Preis zulegt.
Die Konjunktur bekommt nur einen Dämpfer, die EZB setzt die unter ihrem neuen Präsidenten Mario Draghi eingeschlagene lockere Geldpolitik fort, ohne die Geldschleusen allzu weit zu öffnen. Die Preise von Gold und Silber setzen ihre langjährige Aufwärtsbewegung nur noch verhalten fort, und immer mehr Anleger wenden sich den Aktien zu.

Welches von diesen beiden Szenarien eintreten wird, dürfte sich bereits im Januar oder Februar nächsten Jahres abzeichnen. Mindestens bis dahin sollten Sie sich in Geduld üben, Ihre Gold- und Silberbestände einschließlich der Edelmetallaktien halten, auf Signale von der Konjunkturfront achten und darauf, in welchem Umfang die EZB unter Draghi sich mit ihrer Geldpolitik den Gepflogenheiten der Fed in den USA anpasst, also im Zweifel lieber zu viel als zu wenig Geld in den Wirtschaftskreislauf schleust. Dann käme es nämlich zum – aus heutiger Sicht weniger wahrscheinlichen – Szenario Nummer 3: starke Geldentwertung, sprich Inflation, die kaum noch zu bändigen wäre.

Manfred Gburek, 9. Dezember 2011

Dieser Bericht wurde nicht geprüft. Für Richtigkeit der Angaben übernimmt Silbernews.at keine Haftung.
Quelle: » gburek.eu