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Beipackzettel, Tests und anderer Unsinn

Samstag, 04. Juni 2011, 08:25
Manche Ereignisse werfen ihre Schatten voraus, ohne dass der Großteil der Betroffenen rechtzeitig davon erfährt. So ist das jetzt auch bei Produktinformationsblättern, populärer und treffender Beipackzettel genannt, die Anlageberater der Banken und Sparkassen vom 1. Juli an ihren Kunden für jedes gängige Anlageprodukt aushändigen sollen. Die Beipackzettel müssen Angaben über die Struktur, die Chancen und Risiken enthalten, das alles bitteschön so übersichtlich dargestellt, dass die Kunden es auch wirklich verstehen. Hier handelt es sich nicht etwa um den Ersatz für die bereits seit Anfang 2010 geltenden Protokolle über Beratungsgespräche, sondern um deren Ergänzung.
Es kommt noch dicker: Für Fonds gibt es sogar schon eine EU-Richtlinie, die vom 1. Juli an gelten soll. Darin sind Beipackzettel nach KID spezifiziert. Das ist die Abkürzung für Key Information Document und bedeutet so viel wie Vorgabe für Informationen, in diesem Fall zu Investmentfonds. Obendrein hat der Zentrale Kreditausschuss, eine Art Dach aller deutschen Banken und Sparkassen, der Finanzaufsicht BaFin einen Standard-Beipackzettel vorgeschlagen, der die folgenden Angaben enthalten soll: Beschreibung und Daten des Finanzprodukts, Verfügbarkeit, Risiken, Kosten, Steuern, Szenario anhand eines Beispiels und sonstige Hinweise.
Damit nicht genug, geplant ist auch noch ein von der BaFin zu führendes Anlageberater-Register. Und damit bloß alles schön unter Kontrolle bleibt, ist der Einsatz von Testkäufern vorgesehen. Sie sollen prüfen, ob die gesetzlichen Vorgaben für Beratung und Protokollierung eingehalten werden. Falls nicht, müsste es noch einen Sanktionskatalog ähnlich dem Punktesystem für Autosünder in Flensburg geben. Doch so weit ist die federführende Ministerin Ilse Aigner noch nicht vorgedrungen.
Da die ganze Sache äußerst fragwürdig ist, nehme ich das Fazit schon mal vorweg: Wer sich unter den vorgegebenen Umständen beraten lässt, ist selbst schuld. Denn Protokolle zu Beratungsgesprächen sind eher geeignet, Berater und ihre Institute zu schützen als den Kunden die Sicherheit zu vermitteln, ordentlich beraten worden zu sein. Und Beipackzettel zu Produkten, beginnend mit der Beschreibung samt Daten und endend mit sonstigen Angaben, sagen rein gar nichts dazu aus, ob die betreffenden Finanzprodukte den Anlagezielen und Wünschen der Kunden entsprechen.
Bleiben wir noch ein wenig bei solchen Produkten. Beispiel Investmentfonds (nicht zu verwechseln mit geschlossenen Fonds): Es gibt sie, um nur ein paar gängige Beispiele zu nennen, als Aktien-, Renten-, Misch-, Geldmarkt-, Immobilien- und Dachfonds mit allen erdenklichen Untergruppen. Ihre Chancen sind nicht messbar, ihre Risiken werden in der Regel mithilfe von Kennzahlen zur Schwankungsintensität gemessen. Erkenntniswert? Nicht einzuschätzen. Nutzwert? Für Anbieter hoch, denn sie bestimmen die Konditionen (Ausgabeaufschläge, Managementgebühren, Transaktionskosten usw.), gewinnen also fast immer (wie die Spielbanken). Dagegen ist der Nutzwert für Anleger mehr oder weniger schwankend und umso fragwürdiger, je mehr ein Fonds sich spezialisiert hat, etwa auf Aktien oder Anleihen aus Schwellenländern, auf Branchen wie Edelmetalle oder Rohstoffe, auf Themen wie demografische Entwicklung oder Klimaschutz.
Nur noch ein Beispiel, das den ganzen Beipackzettel-Irrsinn offenbart: Aktien. Was soll hier auf dem Zettel stehen? Tolle Sache für langfristig orientierte Anleger, weil Aktien über längere Perioden meistens besser abgeschnitten haben als die meisten anderen Anlagen? Oder Vorsicht, Risiko des fast vollständigen Verlusts, weil sich das mit dem Kursverlauf von Aktien wie Commerzbank, Karstadt oder zeitweise Borussia Dortmund nachweisen lässt? Aktien sind – mehr noch als Fonds – Unikate. Ihnen ein Risiko anzuhängen, ist ebenso dumm, wie sie etwa als spekulativ zu bezeichnen. Ein Anleger, der Borussia Dortmund-Aktien zum Zeitpunkt der Erstemission gekauft und zum Tiefpunkt verkauft hätte, wäre heute arm wie eine Kirchenmaus. Wer sie dagegen vor der Verdreifachung des Kurses gekauft und auf dem anschließenden Hoch verkauft hätte, könnte sich vom Gewinn viel mehr als nur eine Stadion-Dauerkarte leisten.
Manchmal frage ich mich auch, welcher Zettelinhalt wohl für Gold und Silber geeignet wäre. Nur als Beimischung geeignet? Das lese ich seit Jahren; bisher hat es sich als falsch erwiesen. Riskant, weil die Preise schwanken? Die vom Staat reichlich gesponsorte Stiftung Warentest, vertreten durch ihre Zeitschrift Finanztest, hat schon ziemlich dummes Zeug zum Gold verbreitet, unter anderem mit dem Hinweis auf dessen Preisschwankungen. Nun könnte man den Mantel des Schweigens darüber decken, gäbe es da nicht hin und wieder von ihr inszenierte Testkäufe, deren wenig schmeichelhafte Ergebnisse regelmäßig ein großes Medienecho erzeugen. Und ausgerechnet diese Testkäufe sollen offenbar als Vorlage für die kommenden, unter der BaFin-Regie abgehaltenen Tests dienen. Man stelle sich nur vor, der Testkäufer erwischt einen Anlageberater, der Gold empfiehlt. Bekommt dieser dann konsequenterweise einen schwarzen Strich im Berater-Register, weil die Preisschwankungen des Edelmetalls der Stiftung Warentest nicht geheuer vorkommen? Das Beispiel zeigt einmal mehr, wie unausgegoren die ganze Beipackzettelwirtschaft samt Protokollen und Testkäufen noch ist, und das kurz vor dem Zetteltermin am 1. Juli.
Für Banken und Sparkassen sind etwa 300.000 Berater tätig. Dass sie alle demnächst fleißig Protokolle schreiben, nur im Dienst ihrer Kunden handeln und ihnen Beipackzettel mitgeben, auf denen kein Unsinn steht, ist illusorisch. Warum also das ganze Tamtam? Weil die Anbieter von Finanzprodukten, vorwiegend Banken und Sparkassen, damit ihren guten Willen zeigen und so Zeit gewinnen sollen, um sich gründlicher auf einheitliche EU-Beipackzettel vorzubereiten, die von 2013 an fällig werden, wenn alles nach Plan verläuft. Also schon in zwei Jahren, sodass man sich unwillkürlich fragt, warum so viel Bohei um die zum 1. Juli dieses Jahres fälligen deutschen Beipackzettel gemacht wird.
Einige Institute wollen die Zeit bis 2013 sogar nutzen, um sich auf die Honorarberatung vorzubereiten. Die steht nämlich auf der Agenda des Aigner-Ministeriums nicht mehr unten, sondern ist etwas aufgerückt. Die überwiegende Mehrheit der Banken und Sparkassen hat allerdings etwas dagegen. Wer sich am Ende durchsetzen wird, ist noch völlig offen.

Manfred Gburek, 3. Juni 2011

Dieser Bericht wurde nicht geprüft. Für Richtigkeit der Angaben übernimmt Silbernews.at keine Haftung.
Quelle: » gburek.eu