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Wege aus der Krise

Montag, 20. April 2009
Bundesbank-Chef Weber: Unser Wirtschafts- und Finanzsystem ist in eine schwere Krise geraten. Die Wege aus der Krise werden steinig und schwer sein.

Professor Dr. Axel A. Weber
Präsident der Deutschen Bundesbank
Keynote speech anlässlich der Konferenz „Kapitalmärkte im Umbruch“ in Hamburg vom 15.4.2009Nachdem das Wort „Finanzkrise“ schon zum Wort des Jahres 2008 gewählt wurde, wird ihm diese Auszeichnung in diesem Jahr wohl nicht noch einmal zuteil werden. Die Finanzkrise ist deswegen natürlich nicht vorüber. Vielmehr hat sie sich in einem geradezu atemberaubenden Tempo zu einer realwirtschaftlichen Krise ausgeweitet, die nun auf verschiedensten Wegen bekämpft wird.
Wie geht es nun weiter und wie konnte es überhaupt soweit kommen? Und was lässt sich daraus lernen, so dass eine Krise in diesem Ausmaß in Zukunft verhindert werden kann? Das sind die Fragen, die sich jetzt stellen, und ich möchte versuchen, zumindest einige Antworten auf diese Fragen zu geben.

Ursachen der Krise

Was die Ursachen der Krise betrifft, so haben wir mittlerweile eine ganze Reihe von ausgezeichneten Analysen vorliegen, lassen Sie mich nur beispielhalber die Berichte von de Larosière und Lord Turner nennen. Im Überblick zeigt sich, dass es eine äußerst komplexe Gemengelage war, die den Boden für die Krise bereitete.
Die ursprüngliche Lesart der Finanzkrise war folgende: In den USA kam es – begünstigt durch ein jahrelang niedriges Zinsniveau – zu einem Immobilienboom, der mit einem kräftigen Preisanstieg für Wohnhäuser einherging. Der permanente Hauspreisanstieg machte die Vergabe von Hypothekenkrediten an Haushalte mit geringer Bonität zu einem einträglichen Geschäft – einem sehr einträglichen Geschäft sogar, so dass das Segment der Subprime-Hypotheken innerhalb weniger Jahre exponentiell wuchs.
Verbrieft und wiederverbrieft wurden diese massenhaft ausgereichten Kredite zu handelbaren Finanz-Produkten, die bei renditesuchenden Investoren auch dank erstklassiger Ratings reißenden Absatz fanden. Originate to distribute heißt dieses Geschäftsmodell, das theoretisch zu einer effizienteren Verteilung von Risiken führen kann. Tatsächlich führte es zu einer erheblichen Konzentration von Risiken, die schlagend wurden, als das Umfeld für den US-Immobilienmarkt zunehmend ungünstiger wurde und die Ausfallraten zu steigen begannen.
Spätestens mit den dramatischen Folgen des Zusammenbruch von Lehman Brothers ist jedoch klar geworden, dass die Ursachen dieser Krise sehr viel tiefer liegen und vielschichtiger sind. Die Subprime-Malaise war Auslöser, aber nicht die zentrale Ursache der weltweiten Finanzkrise.
Ebenso wenig lässt sich die Krise vorwiegend auf mikroökonomische Unzulänglichkeiten zurückführen.
Keine Frage: Der Verbriefungsprozess hat deutliche Mängel aufgewiesen; die Kreditvergabepraxis wurde immer laxer und die strukturierten Produkte waren so komplex, dass ihre Käufer gar nicht ermessen konnten, welche Risiken damit verbunden waren. Im Risikomanagement einiger Institute traten zudem weitere Schwächen zutage.
Ratingagenturen begaben sich bei der Entwicklung von strukturierten Produkten in heikle Zielkonflikte zwischen Beratung und Beurteilung. Ihren Urteilen wurde wiederum ein viel zu hohes Vertrauen entgegengebracht, wobei das Bewusstsein dafür fehlte, dass eine AAA-geratete Tranche eines hypothekenbesicherten Wertpapiers ein gänzlich anderes Kredit- und Liquiditätsrisiko aufweist als zum Beispiel eine Unternehmens- oder Staatsanleihe mit gleichem Rating.
Management-Vergütungsmechanismen setzten Anreize zu exzessiver Risikoübernahme, indem sie die kurzfristige Umsatzsteigerung und weniger die langfristige Profitabilität der eingegangenen Investments belohnten. Dabei ist weniger die absolute Höhe als vielmehr die Struktur der Vergütung relevant.
Das steht alles außer Frage und dennoch wäre es zu kurz gesprungen, die makroökonomischen Entwicklungen der letzten Jahre aus dem Blick zu lassen.
Hierzu gehören eine im Nachgang der geplatzten New Economy-Blase zu lange zu expansive Geldpolitik. Die Verbraucherpreisinflation blieb zwar trotz der niedrigen Zinsen auf einem niedrigen Niveau, jedoch mündete überschüssige Liquidität in Vermögensmärkte, insbesondere den Immobiliensektor. Erst jetzt wird vielen klar, dass die Ausrichtung der Geldpolitik, und dazu gehört auch das Reaktionsmuster der Notenbank im Umgang mit Vermögenspreisblasen, die Bereitschaft zur Risikoübernahme der Finanzmarktteilnehmer signifikant beeinflusst.
Ebenso sind die globalen Leistungsbilanz-Ungleichgewichte, die sich innerhalb eines Jahrzehnts aufgetürmt haben, mit ins Bild zu nehmen. Chronische Leistungsbilanzdefizite signalisieren, dass ein Land permanent „über seinen Verhältnissen“ lebt. Hier sei daran erinnert, dass die private Sparquote in den USA vor den Turbulenzen in den negativen Bereich fiel, die Haushalte haben also entspart!
Gleichzeitig wurden riesige Leistungsbilanzüberschüsse von Öl exportierenden Ländern, aber vor allem aus China in US-Staatsanleihen angelegt, um Aufwertungsdruck von der eigenen Währung zu nehmen. Damit wurden auch die langfristigen Zinsen auf einem sehr niedrigen Niveau gehalten, was einerseits die Jagd nach Rendite befeuerte und andererseits die Aufnahme von Fremdkapital erheblich begünstigte.
So konnte der Eigenkapitalhebel („Leverage“) innerhalb des gesamten Finanzsystems enorm wachsen. Ein übermäßig verschuldetes Finanzsystem birgt indes die Gefahr einer hohen Verwundbarkeit gegenüber Wertverlusten seiner Aktiva.
So muss man wohl sogar zu der Erkenntnis kommen, dass das überaus kräftige Wachstum der Weltwirtschaft in den letzten Jahren nicht nachhaltig war, was im Übrigen auch bedeutet, dass eine schnelle Wiederkehr globaler Prosperität in diesem Maße unwahrscheinlich ist.
Last, but not least sind die Schwächen im regulatorischen System zu bedenken, will man die Entstehung der Finanzkrise verstehen. So steht wohl außer Zweifel, dass auch die Regulierer erhebliche Schwierigkeiten hatten, mit den rasant an Bedeutung gewinnenden Finanzinnovationen Schritt zu halten.
Eine ganze Reihe von Finanzmarktteilnehmern, sogenannte Schattenbanken, konnten sich von Regulierung sogar weitgehend „unbelästigt“ entwickeln, wobei zu betonen ist: Der Kern der Krise sind nicht die unregulierten Hedgefonds und Konsorten, sondern Banken, die seit jeher einer vergleichsweise strengen Regulierung unterliegen. Das Nebeneinander von regulierten und unregulierten Finanzmarktakteuren ist der Stabilität des Finanzsystems aber ebenso abträglich wie das Gefälle in der Strenge der Regulierung im Vergleich verschiedener Finanzplätze. Von Regulierungsarbitrage profitieren am Ende des Tages aber nur die wenigsten.
Besonders problematisch ist auch die Prozyklizität, die bestimmten institutionellen Regeln inhärent ist, also Regeln, die dazu beitragen, dass die natürlichen Schwankungen des Finanzsystems im konjunkturellen Zyklus noch verstärkt werden. Ich denke zum Beispiel an die internationalen Rechnungslegungsstandards. Mit einer inadäquaten Anwendung der Zeitwertbilanzierung („Fair value“) trugen diese nicht nur zum Aufbau von Risikopotenzial, sondern auch zur Verschärfung der Krise nach deren Ausbruch bei.

Krisenbewältigung und -prävention

So komme ich nun zu den Fragen der Krisenbewältigung und der Krisenprävention.
Spätestens seit der Verschärfung der Krise im September 2008 war klar, dass entschlossenes und mutiges, aber vor allem wirksames Handeln notwendig sein würde, um das Finanzsystem vor dem ultimativen Kollaps zu bewahren.
Ursachenanalysen waren auch zu dieser Zeit schon vorhanden und erste regulatorische Reformen in die Wege geleitet. Nach dem Lehman-Kollaps wuchs indessen auf höchster politischer Ebene die Einsicht, dass ein gemeinsames Vorgehen auf internationaler Ebene nötig sein wird.
Bei den beiden Weltfinanzgipfeln von Washington und London gaben die Staats- und Regierungschefs der G20 ein klares Bekenntnis dazu ab, das internationale Finanzsystem und dessen Regulierung zu stärken. Sie haben damit auch klar zum Ausdruck gebracht, dass die Überwindung der Krise nicht ohne umfassende regulatorische und bankenaufsichtliche Konsequenzen gelingen kann. Krisenmanagement und Krisenprävention werden mithin als komplementär zueinander gesehen.
Die in London gefassten Beschlüsse lassen sich in drei wesentliche Punkte zusammenfassen: umfangreiche Finanzierungszusagen für die internationalen Finanzinstitutionen, institutionelle Reformen der internationalen Kooperation im Bereich der Finanzaufsicht und Verschärfung der Regeln für das Finanzgewerbe.ad 1)
Die Ressourcen des IWF sollen von 250 Mrd USD mittels im Notfall aktivierbarer Kreditlinien auf 750 Mrd USD verdreifacht werden. Dies soll kurzfristig bilateral und mittelfristig im Rahmen der bereits etablierten Neuen Kreditvereinbarungen (NKV) erfolgen. Damit werden neben den bisherigen NKV-Teilnehmern, zu denen die Bundesbank gehört, auch reservestarke Schwellenländer in einem fairen, regelgebundenen und transparenten Lastenteilungsverfahren an der Finanzierung beteiligt. Ob eine permanente Aufstockung der regulären IWF-Quotenmittel erforderlich ist, soll bis Januar 2011 überprüft werden.
Die von den G20 unterstützte allgemeine Zuteilung von Sonderziehungsrechten (SZR) in Höhe von 250 Mrd USD, wovon ca. 100 Mrd USD in die Schwellen- und Entwicklungsländer fließen, versetzt die IWF-Mitgliedsländer in die Lage, ihre vom IWF zugeteilten SZR in Dollar, Euro und andere Hartwährungen umzutauschen. Voraussetzung für eine solche Zuteilung ist nach den IWF-Statuten ein globaler Bedarf an einer Aufstockung der Währungsreserven, der jedoch nicht unbedingt offensichtlich ist.
Außerdem werden 250 Mrd USD zur Unterstützung der Handelsfinanzierung bereitgestellt und das Ausleihvolumen der multilateralen Entwicklungsbanken soll um mindestens 100 Mrd USD ausgeweitet werden.
Insgesamt können damit 1,1 Bio. USD an zusätzlichen Mitteln mobilisiert werden. Auch wenn nicht damit zu rechnen ist, dass die Mittel des IWF vollständig abgerufen werden, ist mit einem bedeutenden monetären Impuls zu rechnen.
Gleichzeitig ist zu bedenken, dass es nicht Aufgabe der internationalen Finanzinstitutionen sein kann, private Kapitalströme zu ersetzen. Marktverzerrungen und Verdrängung privater Investoren wären die Folge und notwendige wirtschaftspolitische Anpassungen würden unterbleiben. Zudem ist die Liquiditätshilfe des IWF nicht dazu geeignet, die Solvenzprobleme im internationalen Finanzsektor zu beheben.
ad 2)
Im Hinblick auf die internationale Kooperation im Bereich von Finanzaufsicht und Regulierung haben die G20 beschlossen, das Finanzstabilitätsforum (FSF) um eine Reihe von Mitgliedern und Aufgaben zu erweitern und zu einem Financial Stability Board fortzuentwickeln.
Aufgabe dieser Institution soll es unter anderem sein, die Koordination zwischen den für Finanzmarktstabilitätsfragen zuständigen Behörden zu verbessern. Verwundbarkeiten des Finanzsystems sollen aufgedeckt und neue Entwicklungen auf den Finanzmärkten im Hinblick auf notwendige regulatorische Konsequenzen untersucht werden.
Zusammen mit dem IWF soll ein Frühwarnsystem errichtet werden, um zukünftige Risiken für Makro- und Finanzstabilität rechtzeitig zu identifizieren und anzugehen. Vor allzu hohen Erwartungen diesbezüglich ist indes zu warnen.
ad 3)
Die G20 haben beschlossen, dass in Zukunft alle systemisch relevanten Finanzinstitutionen, Instrumente und Märkte reguliert und überwacht werden sollen.
Im Einzelnen wurde unter anderem festgelegt, dass die Regeln zur Eigenkapitalhaltung strenger werden sollen, allerdings erst nachdem die Krise vorbei ist, um sie nicht weiter zu verschärfen. Gefordert wird zudem die Bildung von Risikopuffern in guten Zeiten, auf die in ungünstigen Zeiten zurückgegriffen werden kann und die Erfassung eines einfachen, international vergleichbaren Maßstabs, mit dem sich der Aufbau eines zu hohen Leverage innerhalb des Bankensystems verhindern ließe.
Damit wird auf die sogenannte Leverage ratio angespielt, die das Eigenkapital und die ungewichteten Aktiva einer Bank zueinander ins Verhältnis setzt, gegenüber der wir allerdings eine gewisse Skepsis haben. Große Zweifel an der Vergleichbarkeit sind hier wegen der weiterhin sehr unterschiedlichen Bilanzierungsregeln angebracht.
Allerdings fordern die G20 auch Schritte in Richtung eines globalen Rechnungslegungsstandards. An die Standardsetter in diesem Bereich erging zudem die Aufforderung, bis Ende dieses Jahres unter anderem klare und konsistente Bewertungsregeln zu formulieren.
Ratingagenturen sollen künftig reguliert werden. Sie müssen sich registrieren lassen und dem Verhaltenskodex der Internationalen Vereinigung der Wertpapieraufseher nachprüfbar entsprechen. Zudem sollen die Ratingprozesse transparenter werden und für strukturierte Produkte stärkere Differenzierungen in den Ratings vorgenommen werden.
Auch Hedgefonds sollen zukünftig reguliert werden; auf dem Markt für Kreditderivate, dessen Volumen in den Jahren vor der Krise geradezu explosionsartig wuchs, sollen zentrale Clearingstellen geschaffen werden, um Gegenparteirisiken zu reduzieren. Entlohnungsmechanismen sollen mit Hinweis auf Empfehlungen des FSF an längerfristigeren Zielen orientiert sein. Steueroasen sollen trockengelegt werden – zum Schutz der öffentlichen Finanzen, die in Folge dieser Krise auf Jahre hinaus belastet sein werden.
Zu begrüßen an den Gipfelbeschlüssen von London ist zudem das Gelöbnis, von protektionistischen Maßnahmen – auch im Bereich der Wechselkurse – nicht Gebrauch zu machen. Abzuwarten bleibt freilich, inwieweit sich die Staaten daran gebunden sehen werden.
Ich halte es für richtig, dass auf dem Gipfel keine konkreten Beschlüsse zu weiteren fiskalischen Stimulierungs-Programmen in den Industrieländern gefasst wurden. Die im Vorfeld gerade an Deutschland adressierte Aufforderung, die Staatsdefizite kurzfristig aktiv noch weiter auszuweiten, war meines Erachtens nicht berechtigt.
Die deutsche Finanzpolitik wird in den kommenden Quartalen eine erhebliche Stabilisierungswirkung entfalten. Umfangreiche Maßnahmen zur direkten Stützung der Finanzmärkte wurden bereits ergriffen. Die automatischen Stabilisatoren und die stark atmenden gewinnabhängigen Steuern werden zu einer deutlichen Defizitausweitung und Stützung der privaten Haushalte und Unternehmen beitragen. Ihre Kreislaufeffekte sind Schätzungen zu Folge im Euro-Raum um fast die Hälfte höher als in den USA, was am umfangreicheren Sozial- und Abgabensystem in Europa liegt.
Deutschland hat zudem zwei Konjunkturprogramme aufgelegt, die in ihrem Gesamtvolumen durchaus „konkurrenzfähig“ sind, deren Hauptwirkung aber noch gar nicht eingetreten ist – die sogenannte „Abwrackprämie“ ist mit ihrer schnellen Wirksamkeit eine Ausnahme. Hinzu kommen großvolumige Kredit- und Bürgschaftsprogramme zur Sicherung der Liquidität und Kreditversorgung der Wirtschaft.
Last, but not least darf gerade in den heutigen Zeiten die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen nicht aus den Augen verloren werden. So wird der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt bereits derzeit sehr flexibel ausgelegt. Deutschland könnte im laufenden Jahr die 3 %-Grenze überschreiten, und im kommenden Jahr ist mit einem weiteren merklichen Defizitanstieg zu rechnen. Ein Defizitverfahren erscheint wahrscheinlich.
Deutschland kommt hier im Rahmen der EU sicherlich eine wichtige Rolle als Vertrauensanker zu, von dem auch die anderen Länder nicht zuletzt über ein sehr niedriges allgemeines Zinsniveau in der EWU profitiert haben und profitieren.
Insgesamt gibt es somit aus meiner Sicht derzeit keinen Grund für zusätzliche schuldenfinanzierte Fiskalprogramme. Die bereits angelegten umfangreichen fiskalischen und monetären Impulse sollten ihre Wirkung im weiteren Jahresverlauf entfalten können, und die automatischen Stabilisatoren darüber hinaus eine ungünstige Wirtschaftsentwicklung dämpfen.
Lassen Sie mich drei spezielle Aspekte, die auf dem Weg aus der Krise eine wichtige Rolle spielen, noch etwas genauer beleuchten:

Spezielle Aspekte

Bereinigung der Bankbilanzen von toxischen Assets

Der erste Punkt, den ich hier ansprechen möchte, ist die Frage der Bilanzbereinigung.
Wie Sie wissen, haben wir in Deutschland den Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung, kurz SoFFin. Insgesamt stehen dem SoFFin für die Gewährung von Garantien, für Rekapitalisierungsmaßnahmen und Risikoübernahmen bis zu 480 Mrd Euro zur Verfügung. Vom Gesamtrahmen für Garantien ist derzeit etwa ein Drittel ausgereicht, vom Gesamtrahmen für Kapitalisierungen etwa ein Viertel.
Die Maßnahmen des SoFFin setzen bislang allein auf der Passivseite der Bankbilanzen an. Die Unsicherheit über die Solidität der Banken auf der Aktivseite konnte damit bislang nicht beseitigt werden.
Wie sollte aber eine Lösung aussehen, die auch auf der Aktivseite zu einer Stabilisierung des Bankensystems beiträgt? Allgemein formuliert sollte sie transparent, anreizkompatibel und praktikabel, ordnungspolitisch akzeptabel und politisch kommunizierbar sein.
Ich möchte an dieser Stelle allerdings keine Wertungen im Detail vornehmen. Wie Sie wissen, wird es dazu in der nächsten Woche Gespräche in Berlin geben, denen ich hier nicht vorgreifen möchte.
Reform der europäischen Finanzaufsicht

Zweiter Punkt: Banken- und Finanzaufsicht. Diese zählt zu den Feldern, auf denen unzweifelhaft Konsequenzen aus der Finanzmarktkrise gezogen werden müssen.
Auf dem Gebiet der internationalen Kooperation sind weitere Fortschritte möglich und nötig. Regulierungsarbitrage, also die bewusste Verlagerung von Geschäft in Länder mit laxerer Regulierung, muss in Zukunft verhindert werden.
In diesem Sinne hatte die hochrangige Expertengruppe um Jacques de Larosière den Auftrag der Europäischen Kommission, Vorschläge zu einer Reform des europäischen Aufsichtssystems zu liefern. Der Larosière-Bericht dient nun als Grundlage für entsprechende Entscheidungen.
Konkret sieht der Bericht eine Reform der europäischen Finanzaufsicht in zwei Stufen vor. In der ersten Stufe soll die Kooperation der nationalen Aufseher in Colleges of supervisors weiter ausgebaut werden. Solche Aufseherkollegien gibt es mittlerweile für alle systemisch relevanten, internationalen Bankengruppen. Außerdem sollen die so genannten Level 3-Ausschüsse für die Wertpapier-, Banken- und Versicherungsaufsicht aufgewertet werden.
In einer zweiten Stufe sollen diese Ausschüsse dann zu EU-Behörden mit bindenden Eingriffsmöglichkeiten bei gleichzeitig fortbestehender nationaler Verantwortung werden.
Die Auffassung der Bundesbank zu diesen Vorschlägen ist differenziert: Den evolutorischen Ansatz, der mit der ersten Stufe verbunden ist, unterstützen wir. Auch der Errichtung eines European Systemic Risk Council (ESRC) stimmen wir im Grundsatz zu, wenngleich wir noch erheblichen Klärungsbedarf unter anderem hinsichtlich der Zusammensetzung eines solchen Rates, seines administrativen Unterbaus und vor allen Dingen seiner Verantwortlichkeit sehen.
Deutliche Vorbehalte haben wir indessen gegenüber dem Vorhaben, aus den Ausschüssen neue Behörden zu machen. Hier befürchten wir, dass es zu einer Asymmetrie von Rechten und Verantwortung kommen könnte. Insbesondere erscheint uns die Balance zwischen den vorgeschlagenen Eingriffsmöglichkeiten dieser neuen Behörden und der Verantwortung der nationalen Aufsicht bei diesen Vorschlägen nicht gewahrt zu sein.
Zwei Dinge sind meines Erachtens durch die Finanzkrise doch sehr klar geworden: Finanzmärkte kennen keine nationalen Grenzen mehr, alle großen Bankengruppen sind heute international aufgestellt. Möglichst enge Kooperation auf dem Gebiet der Finanzaufsicht ist daher unbedingt notwendig. Wenn es aber zu einer veritablen Bankenkrise, wie wir sie derzeit erleben, kommt, sind es die nationalen Fiski, die die umfangreichen Rettungsschirme spannen und damit die nationalen Steuerzahler, die sie bezahlen müssen.

Geldpolitik

Der dritte Aspekt, der auf dem Weg aus der Krise eine wichtige Rolle spielt, auf den ich hier noch kurz eingehen möchte, ist die Geldpolitik.
Der EZB-Rat hat das Leitzinsniveau seit Oktober 2008 um 300 Basispunkte auf ein historisch niedriges Niveau gesenkt. Der Hauptrefinanzierungssatz, zu dem die Banken derzeit – gegen Hinterlegung von Sicherheiten, versteht sich – unbegrenzt Liquidität erhalten, wurde vor zwei Wochen auf 1,25 % gesenkt, der Einlagensatz auf 0,25 %. Damit ist dieser Zins, den die Banken für Übernachteinlagen bei der Notenbank erhalten, auf einem sehr niedrigen Niveau angekommen, das untere Ende ist hiermit meines Erachtens erreicht.
Beim Hauptrefinanzierungssatz ist noch ein wenig Spielraum vorhanden, den wir angesichts der Preisentwicklung auch nutzen sollten. Senkungen des Hauptrefinanzierungssatzes unter 1 % sehe ich kritisch, weil gegenseitige Ausleihungen von überschüssiger Liquidität dann praktisch überhaupt nicht mehr vergütet würden. Es bestünde somit die Gefahr, dass der private Interbankenmarkt völlig zum Erliegen käme.
Weitere Marktakteure, allen voran die Geldmarktfonds, wären bei einer solchen Zinspolitik schlicht in ihrer Existenz bedroht. Damit könnte es aber auf den ohnehin schon fragilen Märkten für kurzfristige Finanzierungen, Stichwort Commercial Paper, zu zusätzlichen Verwerfungen kommen. Größere Probleme könnten auch auf die Versicherer zukommen, die in Europa viel stärker als zum Beispiel in den USA an bestimmte Garantieverzinsungen gebunden sind.
Kritiker, die dem EZB-Rat mit Verweis auf die Leitzinsen anderer Notenbanken vorwerfen, er sei mit dem aktuellen Zinsniveau „hinter der Kurve“ möchte ich indes auf Folgendes hinweisen: Der Tagesgeldsatz, also der Zins zu dem sich die Banken untereinander Liquidität über Nacht leihen, liegt deutlich unterhalb des Hauptrefinanzierungssatzes. Das ergibt sich aus unserer großzügigen Liquiditätspolitik, deren Fortsetzung wir über den Jahreswechsel hinaus angekündigt haben.
Im Zwölfmonatsbereich sind die Geldmarktsätze für Euro-Liquidität sogar niedriger als entsprechende US-Dollar-Geldmarktsätze, und dies trotz dort niedrigerer „offizieller Zinssätze“. Was am Markt letztendlich zählt, ist offensichtlich die Mischung aus Leitzins- und Refinanzierungspolitik.
In Deutschland waren in jüngster Zeit Klagen zu vernehmen, dass die Banken die Zinssenkungen des Eurosystems nicht angemessen weitergäben. Untersuchungen der Bundesbank für den Zeitraum von Oktober 2008 bis Februar 2009 zeigen allerdings, dass im kurzfristigen Unternehmenskreditgeschäft etwa 75-80 % der Zinssenkungen weitergegeben wurden, was dem typischen Reaktionsmuster annähernd entspricht.
Dass bei längeren Zinsbindungsfristen eine deutlich geringere Abwärtsbewegung zu erkennen ist, ist wenig verwunderlich. Schließlich werden diese Zinssätze von anderen Größen maßgeblich beeinflusst, insbesondere dem Kapitalmarktzins, der bislang deutlich weniger stark gesunken ist.
Das bringt mich zum letzten Aspekt, den ich in diesem Zusammenhang noch ansprechen möchte.
Da sich die Möglichkeiten der Beeinflussung des langfristigen Zinsniveaus durch die Senkung der Zinsen am ganz kurzen Ende der Zinsstrukturkurve dem Ende zuneigen, werden zunehmend Maßnahmen unkonventioneller Geldpolitik diskutiert und ergriffen. Vom EZB-Rat können Sie Anfang Mai eine Entscheidung über zusätzliche Maßnahmen erwarten.
Unser geldpolitisches Handeln sollte dabei die starke Rolle der Banken für unser kontinentaleuropäisches Finanzsystem berücksichtigen. Damit meine ich, dass weiterhin zusätzliche Erleichterungen für die Refinanzierung von Banken, etwa in Form einer Verlängerung der Laufzeiten der Liquiditätszuteilung, Priorität haben sollten. Direkte Eingriffe in den Kapitalmarkt sollten dagegen hintan stehen.

Schluss

Klar ist, wir stehen vor großen Herausforderungen. Unser Wirtschafts- und Finanzsystem ist in eine schwere Krise geraten. Die Wege aus der Krise werden steinig und schwer sein. Aber dann müssen wir eben feste Schuhe anziehen und Hindernisse aus dem Weg räumen!