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Wie aus einer Wirtschaftskrise eine Schuldenkrise wird

Teure Folgen der Rezessionsbekämpfung und der demografischen Alterung


Die Wirtschaftskrise wird in den Staatsfinanzen vieler entwickelter Länder tiefe Spuren hinterlassen. Der Schuldenanstieg dürfte mehrere Jahre dauern. Noch schlimmer werden die Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf die öffentlichen Haushalte sein.

Von unserem Wirtschaftskorrespondenten in Washington, Walter Meier
Washington, Anfang April
Der Internationale Währungsfonds (IMF) hat im Vorfeld des G-20-Gipfels von London einen breit angelegten Bericht über Stand und Ausblick der öffentlichen Haushalte verfasst. Obwohl der Fokus auf den am Gipfel teilnehmenden Ländern lag, wurden teilweise auch Daten anderer Staaten berücksichtigt, die im Rahmen des halbjährlich erstellten World Economic Outlook gesammelt und aufbereitet werden. Die Schlussfolgerungen treffen zwar nicht auf jedes Land im selben Ausmass zu, dürften aber gleichwohl für die meisten Staaten von Belang sein. Der grösste Teil der Analyse befasst sich mit den Folgen der gegenwärtigen Wirtschaftskrise: Was kosten die Rettungsübungen für den Finanzsektor, die in vielen Ländern notwendig geworden sind? Wie wirken sich die Rezession und ihre Bekämpfung auf den Staatshaushalt aus? Wie stark leiden die (teilweise) auf dem Kapitaldeckungsverfahren beruhenden öffentlichen Rentensysteme unter der Entwicklung?

Grössenordnungen zur Bankenrettung

Im IMF-Papier wird immer wieder dargelegt, dass die quantitativen Antworten auf diese Fragen nur Schätzungen sind. Ein Teil der Analyse – vorab in Bezug auf die Rettungsübungen für das Finanzsystem – basiert auf Absichtserklärungen der Regierungen. Wie vor allem das amerikanische Beispiel belegt, kann die Umsetzung danach oft erheblich anders aussehen. Und was an Summen herumgeboten wird, hat oft mehr mit vertrauenbildendem Marketing als mit dem tatsächlichen Umfang der Massnahmen zu tun. Daher sind auch die Angaben zu den Kosten der Rettungsübungen für das Finanzsystem mit Vorsicht zu geniessen. Die Zahlen zeigen gleichwohl zweierlei: Erstens werden die voraussichtlichen Nettokosten für die Staatshaushalte deutlich geringer ausfallen, als die gegenwärtig im Raum stehenden Zahlen vermuten lassen, und zweitens sind die Belastungen für die Staatskasse nach bisheriger Einschätzung in den Industriestaaten ungleich grösser als in den Schwellenländern.
Der IMF rechnet damit, dass in den Industrieländern die Stabilisierung des Finanzsektors netto gut 7% des Bruttoinlandproduktes (BIP) kosten wird. Am höchsten wird die Rechnung in Irland (13,9%) ausfallen, dann folgen die USA und Grossbritannien (vgl. Tabelle). Die Emerging Markets sind vom Finanzproblem bisher nur marginal betroffen. Im Rahmen halten werden sich auch die Ausgaben für die Schweiz, wo bis jetzt lediglich der UBS unter die Arme gegriffen werden musste.

Heroische Annahmen

Die genannten Nettokosten sind letztlich reine Schätzungen, die auf zahlreichen Annahmen basieren. Zu welchen Preisen werden beispielsweise Aktien und Optionen veräussert werden können, welche Staaten als Gegenleistung für Eigenkapitalspritzen an Banken (oder andere Unternehmen) erhalten? In welchem Ausmass werden Zentralbanken Verluste auf Sicherheiten erleiden, die sie im Zusammenhang mit Liquiditätsspritzen und Rettungsübungen bekommen? Und wie viel werden schliesslich staatliche Garantien auf Bankeinlagen oder anderen Finanzinstrumenten kosten? Das alles wird man erst in ein paar Jahren wissen.
Im IMF-Bericht wird auf verschiedene geschichtliche Beispiele von Finanzkrisen verwiesen, welche höchst unterschiedliche Ergebnisse zeigten. Bei der Bankenkrise in Schweden (1991) – das ist das positivste Beispiel – waren nach fünf Jahren die ursprünglich eingesetzten staatlichen Gelder zu 94% wieder eingebracht. In Japan lag die Rücklaufquote nach der Krise von 1997 nach fünf Jahren dagegen erst bei 1%, ist aber mittlerweile auf 54% gestiegen. Es gibt aber auch zahlreiche andere Beispiele – viermal allein in Argentinien –, bei denen den staatlichen Rettungsgeldern keinerlei Mittelrückflüsse gegenüberstanden. Generell haben die untersuchten Beispiele gezeigt, dass die Rekuperationsquote in Staaten mit hohen Pro-Kopf-Einkommen sowie relativ gesunden Staatsfinanzen vor Ausbruch der Krise am höchsten ist. Im IMF-Bericht wird allerdings darauf hingewiesen, dass viele frühere Bankenkrisen auf einzelne oder wenige Staaten isolierte Ereignisse gewesen waren. Diesmal sind eine Vielzahl von Ländern betroffen, was wegen der negativen Rückkoppelungseffekte die Chancen für eine Zurückgewinnung der Rettungsgelder deutlich beeinträchtigen könnte.

Automatische Stabilisatoren wirken

Ein ebenso «bewegliches Ziel» wie die Schätzungen der Kosten für die Rettung des Bankensektors sind die budgetmässigen Auswirkungen der Rezession. Dabei sind automatische Stabilisatoren sowie diskretionäre Massnahmen zur Konjunkturstimulierung zu unterscheiden. Bei Ersteren führt erfahrungsgemäss 1% weniger Wirtschaftswachstum zu einem Anstieg des Haushaltsdefizits um 0,3 Prozentpunkte des BIP, vorab durch tiefere Steuereinnahmen und steigende Arbeitslosengelder. In der gegenwärtigen Krise kommen aber noch einige zusätzliche Effekte hinzu. So führen die fallenden Aktien- und Immobilienpreise zu fallenden Vermögen der Haushalte, auf das diese mit einer Einschränkung des Konsums reagieren. Damit fallen die Einnahmen aus den Konsumsteuern. Vorab in den USA und in England – zum Teil aber auch in der Schweiz – bleibt zudem ein Teil der zuvor beträchtlichen Einnahmen aus der Besteuerung der Gewinne im Finanzsektor aus. In den Emerging Markets ziehen vorab die sinkenden Energie- und Rohstoffpreise staatliche Mindereinnahmen nach sich. Insgesamt schätzt der IMF, dass die automatischen Stabilisatoren in den entwickelten Ländern 2008 die Haushaltfehlbeträge um 0,4 Prozentpunkte erhöht haben und dass 2009 mit einer weiteren Zunahme von rund 1,6% zu rechnen ist. Letztere Zahl könnte höher ausfallen, weil in letzter Zeit die Wachstumsprognosen zunehmend nach unten revidiert worden sind.
So wie sich die Budgetfehlbeträge im Abschwung automatisch ausdehnen, so bilden sie sich im Aufschwung ebenso automatisch wieder zurück. Eine vorübergehende Wirkung sollten auch die Massnahmen der verschiedenen Konjunkturpakete haben. Das tun sie nicht überall. Die Kosten der bisher durchgeführten und angekündigten Massnahmen haben das Haushaltdefizit der G-20-Länder im Jahr 2008 um 0,5 Prozentpunkte des BIP erhöht und werden es im laufenden und nächsten Jahr um 1,5 bzw. 1,1 Prozentpunkte steigen lassen. Seit der Verfassung des Berichts sind weitere Stimulierungspakete beschlossen worden, so dass die Zahlen mittlerweile höher ausfallen dürften. Nimmt man die Kosten der Finanzmarkt-Stabilisierung und der Konjunkturstimulierungs-Massnahmen sowie die Wirkung der automatischen Stabilisatoren zusammen, so errechnet der IMF eine Erhöhung der laufenden Staatsdefizite in den entwickelten Ländern der G-20 für 2008 und 2009 um rund 6 Prozentpunkte des BIP (vgl. Tabelle). Im darauffolgenden Jahr dürften die Fehlbeträge nochmals etwas steigen, um danach allmählich zu sinken.
Wie der beistehenden Übersicht zu entnehmen ist, würden aber in den fortgeschrittenen G-20-Staaten auch 2014 die durchschnittlichen Defizite immer noch 3,8% betragen. Dementsprechend wird die absolute Staatsverschuldung weiter zunehmen, und zwar stärker als das BIP; die durchschnittliche Schuldenquote würde dannzumal auf über 100% des Sozialproduktes steigen. Das entspräche im Vergleich zu 2007 einer Erhöhung der öffentlichen Verschuldung um rund 25 Prozentpunkte des BIP. Wie der IMF schreibt, könnte es aber auch noch erheblich schlimmer kommen, unter anderem dann, wenn die Rezession stärker ausfallen und der Wachstumspfad nach der Krise flacher werden würde. Nicht eingerechnet in diesen Zahlen sind auch allfällige Verluste bei den Zentralbanken und Kosten, die aus den staatlichen Garantiegewährungen resultieren könnten.

Die Altersvorsorge als gefährliche Zeitbombe

Wer nun glaubt, damit seien die zusätzlichen Risiken schon abschliessend aufgezählt, der irrt. Nicht eingerechnet sind zum einen die erheblichen Wertverluste auf den Vermögenswerten von Pensionskassen öffentlicher Bediensteter und privater Arbeitnehmer. Nicht alle Länder sind gleich betroffen. Jene mit einem reinen Umlageverfahren sind von der Krise an den Finanzmärkten zumindest nicht direkt berührt. Das gilt in den USA in gewissem Mass für die Sozialversicherung. Ganz anders sehen aber die Rentenpläne der Angestellten von amerikanischen Staaten und Gemeinden aus, die grundsätzlich im Kapitaldeckungsverfahren finanziert werden. Hier ist der durchschnittliche Deckungsgrad gemäss IMF bis Oktober 2008 auf 65% gesunken, neuere Schätzungen aus anderen Quellen sprechen mittlerweile gar von nur noch 50%. Wollten diese öffentlichen Körperschaften an ihren Leistungsversprechen gegenüber ihren Pensionierten und Aktiven festhalten, so müsste die Deckungslücke zumindest zu einem grossen Teil aus allgemeinen Steuermitteln gedeckt werden. Solche Leistungsversprechen werden in den öffentlichen Rechnungen in der Regel nicht als Schulden bilanziert. Würde man das tun, sähe das Bild der Staatsfinanzen noch viel schlechter aus. Weitere Verpflichtungen könnten auch aus der Unterdeckung privater Pensionspläne auf den Staat zukommen, falls dies zu sozialen Härten führen würde.
Für all diese Eventualverpflichtungen – wie für die Folgen der demografischen Entwicklung generell – sind viele Staatshaushalte finanziell schlecht gewappnet. Zu oft hat man es in guten Zeiten versäumt, Reserven für durchaus kalkulierbare, aber jenseits des politischen Horizonts liegende Ausgaben zu schaffen. Der IMF meint dazu lapidar, dass die Folgen der Bankenrettung und der gegenwärtigen Rezession auf Defizite und Schulden lediglich etwa 5% dessen ausmachten, was auf die Staaten durch die Überalterung der Bevölkerung zukomme. Daher müsse nach der Krise mit aller Entschiedenheit eine Konsolidierung der Staatsfinanzen verfolgt werden. Ohne eine solche Politik könnte die Fähigkeit der Staaten Schaden nehmen, sich über den Kapitalmarkt zu finanzieren.
Um dies zu vermeiden, müsse erstens dafür gesorgt werden, dass Konjunkturstimulierungs-Massnahmen wirklich nur temporär sind. Zweitens müsse ein mittelfristiger Finanzrahmen zur graduellen Gesundung der Staatsfinanzen formuliert werden. Drittens seien wachstumsfördernde Strukturreformen einzuführen. Und viertens schliesslich müssten die demografisch bedingten Ausgabensteigerungen eingedämmt werden, was wohl auf einen späteren Ruhestand und tiefere staatliche Transferzahlungen hinausläuft. Das seien beileibe keine neuen Rezepte, schreibt der IMF in seinem Bericht, aber die Kosten des Nichtstuns hätten sich durch die derzeitige Krise erheblich erhöht.

Dieser Bericht wurde nicht geprüft. Für Richtigkeit der Angaben übernimmt Silbernews.at keine Haftung.
Quelle: » http://www.nzz.ch