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Das hat der G20-Gipfel beschlossen

von Daniel Goffart, Dirk Heilmann und Michael Maisch
Mit Mühe haben sich die Regierungschefs geeinigt, wie sie gemeinsam die Folgen der weltweiten Wirtschaftskrise bekämpfen wollen. Eine strengere Finanzaufsicht, Freihandel und mehr Geld für die Entwicklungsländer sollen die Welt vor weiterem Schaden bewahren. Ein Misserfolg des gemeinsamen Konzepts hätte schlimme Folgen.

LONDON. Die beste Verkäuferin eigener Erfolge ist Angela Merkel nicht. Während Gordon Brown die Gipfelergebnisse voller Pathos preist, ringt sich die Bundeskanzlerin gerade mal zu folgendem Satz durch: "Wir haben fast, glaube ich, einen historischen Kompromiss gefunden." Dabei hätte gerade sie allen Grund zum Triumph. Was sie am Vorabend mit Frankreichs Präsidenten gefordert habe, habe sich in den Abschlussdokumenten niedergeschlagen, stellt sie nüchtern fest. Es hat sich also gelohnt, die Harmonie vor dem Start des bedeutendsten Wirtschaftsgipfels seit Jahrzehnten mit deutlichen Worten zum Thema Finanzregulierung zu stören.
Dem lauten deutsch-französischen Knall vom Mittwochnachmittag war noch am selben Abend die Versöhnung mittels stiller Sitzdiplomatie gefolgt. Beim Arbeitsessen der Regierungschefs in Downing Street platzierte Großbritanniens Premier und Gastgeber Brown kurzerhand Merkel neben Taro Aso. Der japanische Regierungschef hatte Deutschland vorgeworfen, sich nicht angemessen an der globalen Konjunkturstimulierung zu beteiligen. Merkel nutzte die Gelegenheit, um ihrem Kollegen aus Fernost zu erläutern, dass der Beitrag überhaupt nicht zu gering sei, sondern im Gegenteil nach Daten der OECD mit zu den höchsten weltweit zähle. Dass Japan dagegen mit seiner hemmungslosen Verschuldungspolitik inzwischen ein Staatsdefizit von 170 Prozent des BIP aufgehäuft hat, ließ Merkel nicht unerwähnt. Auch Nicolas Sarkozy, der zu Beginn des Gipfels der chinesischen Regierung ungewohnt deutlich eine Blockade beim Thema Steueroasen vorgehalten hatte, musste sich während des Dinners in stiller Diplomatie üben: Der französische Präsident fand sich neben Chinas Präsidenten Hu Jintao wieder.
Die Streithähne zusammenzubringen, darum war Brown beim Spitzentreffen sichtlich bemüht. Denn er braucht dringend einen Erfolg. Der britische Premier steht unter innenpolitischem Beschuss. Die Krise trifft London als Finanzzentrum ins Mark. Verunsicherte Banker, die sich aus Angst vor Demonstranten mit Jeans und Pullover tarnen, fürchten das Ende der Vormachtstellung der City.
Auch US-Präsident Barack Obama wollte seine erste Europareise und seinen großen Auftritt beim Treffen der 20 stärksten Wirtschaftsnationen nicht mit einem Streit beschließen. Einen Lagerkampf zwischen Angloamerikanern und Kontinentaleuropäern galt es also ebenso zu verhindern wie eine Frustreaktion der Schwellenländer.
So zeigten sich die Chinesen bei der Bekämpfung von Steueroasen auch deshalb sperrig, weil die G20 bei diesem Thema ausschließlich auf die Standards der OECD setzt. China aber ist kein Mitglied der Wirtschaftsorganisation und fürchtet auch mit Blick auf seine Sonderverwaltungszonen Hongkong und Macao, in dieser Frage künftig völlig außen vor zu bleiben.
Indien oder Brasilien hingegen mochten sich den Streit über die Regulierung von Hedge-Fonds oder Ratingagenturen nicht zu eigen machen. Die Schwellenländer plagen andere Probleme. Sie leiden viel stärker darunter, dass der Zufluss privaten Kapitals aus den Industriestaaten dramatisch eingebrochen ist. Es musste also ein Mittelweg gefunden werden.
Merkel, die zuvor vor "faulen Kompromissen" gewarnt hatte, zeigte in der Runde der Chefs gestern dann den Pfad zur Verständigung auf. Natürlich müsse man die Weltwirtschaft durch Konjunkturmaßnahmen stimulieren, ließ sie wissen. Bevor man aber in Deutschland weitere Milliardenpakete schnüre, sei es sinnvoller, den ärmeren Ländern unter die Arme zu greifen. Hier sei Deutschland bereit zu helfen.
Da Frankreich, Russland und Australien ebenfalls in diesem Sinn argumentierten und die Schwellenländer ohnehin um mehr Hilfe gebeten hatten, war der Konsens schnell gefunden. Die Industriestaaten erklärten sich bereit, insgesamt 850 Mrd. Dollar für Entwicklungs- und Schwellenländer und zur Stimulierung des Welthandels bereitzustellen. Von den 250 Mrd. Dollar, die sofort wirksam werden, übernahm die EU sogleich 105 Mrd. Dollar.
US-Präsident Obama versprach, so schnell wie möglich beim Kongress für die Freigabe von Geldern zu werben. Er setzte damit ein für den Fortgang des Gipfels wichtiges Zeichen: Die Industrieländer als Verursacher der Krise gehen mit großen Schritten auf die Schwellenländer zu. Merkel setzte dann noch durch, dass bei aller Bedeutung von Konjunkturimpulsen die Rückkehr zu nachhaltigen Staatshaushalten nicht aus dem Blick geraten dürfe.
Nach diesen zähen Verhandlungen war das Eis geschmolzen, die Einigung über eine verschärfte Regulierung der Finanzmärkte ging schneller über die Bühne. Der Gipfel einigte sich auf die von den Europäern gewünschte Kontrolle von Hedge-Fonds und Ratingagenturen sowie auf die Umstellung der Managerbezüge auf langfristige Anreize. Bis zum Schluss wurde noch darum gerungen, den Druck auf Steueroasen zu erhöhen. Dann war klar: Die von Europa verlangte "Sünderliste" kommt; die OECD wurde aufgefordert, sie sofort zu veröffentlichen.
Darüber konnte dann vor allem Bundesfinanzminister Peer Steinbrück seine Genugtuung nicht verbergen. "Wir haben es dem sehr klaren Auftreten Sarkozys und anderer zu verdanken, dass wir die Liste der Steueroasen veröffentlicht haben", machte er indirekt seiner Kanzlerin ein Kompliment. Manchmal lohnt es sich halt, die Harmonie zu stören.

Geld für Entwicklungsländer
LONDON. Mit ihrer Forderung nach weiteren nationalen Konjunkturpaketen konnten sich die Vereinigten Staaten, Japan und Großbritannien in London nicht durchsetzen. Stattdessen konzentriert sich die G20 bei der Ankurbelung der Weltkonjunktur auf Hilfen für ärmere Länder und auf die Stärkung der Internationalen Finanzorganisationen. Insgesamt sollen Weltbank und Internationalem Währungsfonds 850 Mrd. Dollar an neuen Mitteln zur Verfügung gestellt werden. Die Kapitalausstattung des IWF wird auf 750 Mrd. Dollar verdreifacht. Darüber hinaus wird der Währungsfonds 250 Mrd. Dollar an neuen Sonderziehungsrechten schaffen. Diese Verrechnungseinheit des IWF, die sich aus den weltweit wichtigsten Währungen zusammensetzt, soll den Mitgliedsländern gemäß ihren Stimmrechten beim Währungsfonds zugeteilt werden und zusätzliche Liquidität ins Weltfinanzsystem bringen. Außerdem soll sich der IWF falls nötig zusätzliche Mittel an den Kapitalmärkten beschaffen können. An die Weltbank gehen 100 Mrd. Dollar für direkte Hilfen an die ärmsten Länder, die in den Sog der Krise geraten sind.
Die Frage, inwieweit auch die großen Industriestaaten mit neuen Paketen zur Stützung der Weltkonjunktur beitragen sollen, hatte vor dem Gipfel für erheblichen Streit gesorgt. Ursprünglich hatte sich Gastgeber Großbritannien für ein umfangreiches neues Konjunkturpaket der Industriestaaten in einer Größenordnung von zwei Bill. Dollar stark gemacht. Doch diese Forderung scheiterte am harten Widerstand Deutschlands und anderer europäischer Staaten. Stattdessen weist die G20 jetzt in ihrer Abschlusserklärung auf die Wichtigkeit einer nachhaltigen Haushaltsführung hin.
Die Bundesregierung hat bislang zwei Stimulusprogramme im Umfang von rund 80 Mrd. Euro aufgelegt. Weltweit sind rund zwei Bill. Dollar in Konjunkturpakete geflossen.

Kampf dem Risiko
LONDON.Das Thema Finanzmarktregulierung zählte bis zum Schluss zu den umstrittensten Themen des G20-Gipfels. Am Ende rang sich die Staatengruppe zu einem umfangreichen Paket durch. Makroökonomische Risiken will die G20 in Zukunft frühzeitig erkennen und eindämmen. Dazu sollen der IWF und das Baseler Financial Stability Board gemeinsam ein Frühwarnsystem aufbauen, das unter anderem die regelmäßige Überprüfung der einzelnen G20-Länder vorsieht. Bei der Regulierung der Märkte sollen in Zukunft alle für die Stabilität des Finanzsystems relevanten Institutionen lückenlos überwacht werden. Dazu gehören auch Hedge-Fonds, die sich ab einer bestimmten Größe registrieren lassen müssen und umfangreichen Informationspflichten unterliegen. Unter anderem sollen die umstrittenen spekulativen Fonds ihren Verschuldungsgrad offenlegen.
Am stärksten trifft die Regulierungsoffensive aber die Banken. Die wichtigste Konsequenz aus der Krise: Sobald sich die Geldhäuser von den aktuellen Schocks erholt haben, sollen sie für ihre Geschäfte mehr Eigenkapital vorhalten - vor allem in guten Zeiten, um einen Puffer für schlechte Jahre zu schaffen. Die internationalen Eigenkapitalregeln (Basel II) sollen entsprechend geändert werden.
Auch bei den Ratings setzt die G20 auf eine bessere Risikokontrolle. Einerseits müssen die Ratingagenturen in ihrer Urteilsfindung transparenter werden, andererseits dürfen Banken ihre Risikovorsorge künftig nicht mehr nur nach den Ratings externer Agenturen einschätzen, sondern müssen auch selbst eine Bewertung abgeben. Manche Geschäfte dürften damit wohl wegen mangelnder Transparenz oder zu hohen Risikos unterbleiben.
Das Streben nach Risikovermeidung prägt auch die Vorgaben für Managergehälter und Boni. Kurzfristiges Agieren soll nicht mehr belohnt werden, um Fehlanreize zu vermeiden. Dafür steht langfristige Orientierung im Vordergrund.

Bekenntnis zum Freihandel
LONDON. Welthandel und Protektionismus kamen erst spät auf die Agenda der G20. Dennoch wurden sich die Regierungschefs hier schnell einig. Die Wiederbelebung der eingetrockneten Handelsströme soll eine weitere Zuspitzung der weltweiten Wirtschaftskrise vor allem in den Entwicklungsländern verhindern. Dafür will die G20 ein Hilfspaket mit einem Volumen von 250 Mrd. Dollar über zwei Jahre schnüren; es besteht vor allem aus Bürgschaften und Exportgarantien.
Zudem gab die G20 ein Bekenntnis zum freien Handel ab. Die Staaten, die 85 Prozent der weltweiten Wirtschaftskraft repräsentieren, schwören dem Protektionismus ab und wollen die festgefahrenen Freihandelsverhandlungen der Doha-Runde zum Abschluss bringen. Die Staatengruppe erwartet sich davon jährliche Wohlfahrtsgewinne in Höhe von rund 150 Mrd. Dollar. Der Welthandel leidet massiv unter der Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Experten der Weltbank sagen für dieses Jahr einen Rückgang der Handelsströme um sechs Prozent voraus. Das wäre der schärfste Einbruch seit 80 Jahren. Unter dem Rückgang leiden vor allem die Entwicklungsländer, deren Erlöse vornehmlich aus dem Rohstoffexport einbrechen.
In Zukunft soll die Welthandelsorganisation WTO überprüfen, ob die G20-Länder ihre Antiprotektionismus-Versprechen einhalten und darüber vierteljährlich Bericht erstatten. Die Vorsichtsmaßnahme kommt nicht von ungefähr: Laut einer Studie der Weltbank haben 17 Staaten der G20, die noch auf dem letzten Treffen eine Zusicherung gegen protektionistische Schritte unterzeichneten, seit November 2008 Maßnahmen zum Schutz ihrer Volkswirtschaften auf Kosten anderer Länder eingeführt. Während sich der Protektionismus in den Industriestaaten vor allem in Form von Subventionen zeigt, greifen die Entwicklungs- und Schwellenländer häufig zu höheren Importzöllen und Einfuhrbeschränkungen.

Dieser Bericht wurde nicht geprüft. Für Richtigkeit der Angaben übernimmt Silbernews.at keine Haftung.
Quelle: » Handelsblatt.com