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"Milliarden werden ohne Sinn und Verstand verschleudert"

Die Regierung gibt für die Bankenrettung Milliarden aus - was künftige Generationen massiv belastet, kritisiert Volker Hauff. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE wirft der Zukunftsberater der Regierung dem Staat vor, keine Strategie zu haben und die "Lahmen und Fußkranken" zu retten.

SPIEGEL ONLINE:
Herr Hauff, sparen Sie schon für Ihre Kinder und Enkel?
Hauff: Das tue ich schon seit langem. Wir haben ihnen eine gute Ausbildung zukommen lassen und ihnen auch schon ein Haus vererbt. Man muss schließlich nicht alles aufbrauchen, was man hat.
SPIEGEL ONLINE: Ihre Kinder müssen sich also keine Sorgen um die rasante Staatsverschuldung machen?
Hauff: Doch - denn die wird sie auf jeden Fall treffen. Dabei irritiert mich am meisten, dass die Politik trotz der immensen Summen nicht klar und eindeutig sagt, welche Probleme sie lösen will und wie. Ich habe noch kein Wort dazu gehört, wie ein nachhaltiges Finanzsystem aussehen soll. Es werden noch nicht mal die Ursachen klar beim Namen genannt: Das alte Finanzsystem hat uns die Probleme beschert, deshalb müssen wir ein neues entsprechend anpassen.
SPIEGEL ONLINE: Weiß die Bundesregierung nicht, was sie tun soll?
Hauff: Mir ist egal, ob die Politik überfordert ist. Ihr Job ist es, das Land in die Zukunft zu führen und das tut sie zurzeit nicht. An den entscheidenden Punkten wird nicht über das neue Finanzsystem nachgedacht. Und da geht es mir nicht nur um tagespolitische Dinge wie die Austrocknung von Steueroasen. Mich interessieren die langfristigen Linien.
SPIEGEL ONLINE: Was also schlagen Sie vor?
Hauff: Mir sind drei Punkte wichtig: Es darf erstens keine Finanzinstitutionen mehr außerhalb der Bankenaufsicht geben. Zweitens muss jeder Handel mit Produkten strafbar werden, die nicht an der Börse zugelassen sind. Und drittens muss der Handel mit Finanzprodukten strafbar werden, die nicht im Besitz desjenigen sind, der mit ihnen handelt. Das sind einige wenige, aber wirkungsvolle Punkte, auf die man sich verständigen muss. Mir gefällt in diesem Zusammenhang gut, wie der neue US-Präsident Barack Obama es schafft, die Öffentlichkeit zu mobilisieren und damit diese Veränderungen durchzusetzen.
SPIEGEL ONLINE: Warum macht die deutsche Bundesregierung das nicht?
Hauff: Das müssen Sie die Regierung schon selbst fragen. Zum Beispiel hat kaum jemand nachgefragt, warum Karlheinz Bentele nach wenigen Wochen aus dem Leitungsausschuss des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung ausschied. Der wollte nämlich nicht nur Gelder verteilen, sondern insbesondere über die Zukunft des Finanzsektors reden. Aber stattdessen erwägt die Regierung die Rettung der Lahmen und Fußkranken, die unternehmerische Fehlentscheidungen zu verantworten haben, wie etwa die Firma Schaeffler. Das ist doch ein absurdes Theater - auf Kosten der Steuerzahler.
SPIEGEL ONLINE: Aber warum schweigt die Öffentlichkeit?
Hauff: Weil niemand im politischen Bereich die Dinge auf den Punkt bringt. Weil es niemanden gibt, der eine langfristige Strategie entwickelt. Stattdessen werden ohne Sinn und Verstand Milliarden verschleudert. Mich erinnert das an die Erdölkrise in den siebziger Jahren - das damalige Zukunftsinvestitionsprogramm ist komplett verpufft. Deshalb sollte man Verantwortliche fragen, die mit solchen Entwicklungen Erfahrungen haben und Lehren daraus gezogen haben. Stattdessen sind überall die Akteure am Werk, die die Krise verursacht haben. Das kann nicht gut gehen - denn keiner im Bankenbereich redet bislang über die Fehler. Stattdessen sind alle dabei, die Situation schön zu reden.
SPIEGEL ONLINE: Traut sich in der Politik niemand, Klartext zu reden?
Hauff: Die Strategie der Bundesregierung kreist um das Wort "Retten" - was ich schon für falsch halte. Man muss nicht alles und jeden retten - schon gar nicht im Finanzbereich. Es wird so getan, als ob man nach kurzer Zeit so weitermachen könnte wie bisher. Dabei lauert die nächste Krise um die Ecke, nämlich im Bereich der Warentermingeschäfte. Doch statt das klar zu analysieren, beugt man sich den Lobbyinteressen ...
SPIEGEL ONLINE: ... und vergibt Milliarden, die die kommenden Generationen zurückzahlen müssen ...
Hauff: ... das ärgert mich - und wenn dann noch einzelne Politiker sagen, es stünden demnächst große Steuersenkungen ins Haus, werde ich wirklich wütend. Das, was wir hier derzeit erleben, stellt kommende Generationen schon jetzt vor immense Schwierigkeiten. Es ist absurd, dann auch noch Steuersenkungen zu versprechen.
SPIEGEL ONLINE: Wie werden sich die Schulden auswirken?
Hauff: Wegen der Haushaltskonsolidierung werden Zukunftsinnovationen zu kurz kommen und allem Gerede zum Trotz müssen wir uns mittelfristig auf Steuererhöhungen einstellen. Allerdings haben wir uns noch überhaupt nicht klar gemacht, was die Krise weltweit für Auswirkungen hat.
SPIEGEL ONLINE: Nämlich?
Hauff: Staaten wie Island, Lettland oder Rumänien sind nicht mehr in der Lage, ihre Finanzverpflichtungen zu erfüllen. In den Ländern der dritten Welt bricht das ganze Finanzsystem zusammen. Die Weltbank hat ausgerechnet, dass nur aufgrund der Finanzkrise Millionen von Menschen in die Armut rutschen, Hunderttausende Kinder werden sterben. Das, was momentan noch an Entwicklungshilfe geleistet wird, ist ein Bruchteil dessen, was dort an Geldern abfließt. Die Entwicklung in diesen Regionen wird um bis zu 20 Jahre zurückgeworfen.
SPIEGEL ONLINE: Ist es dann nicht zynisch, dass wir uns in Europa vor ein bisschen Arbeitsplatzverlust fürchten?
Hauff: Im Bankenbereich hat eine hohe Professionalisierung bei völliger sozialer Verantwortungslosigkeit und eiserner Habgier stattgefunden. Die kritischen Finanzprodukte sind von Wissenschaftlern, von Nobelpreisträgern mitentwickelt worden. Doch genau diese Leute tun jetzt so, als hätten sie die Folgen nicht vorausgesehen. Das glaube ich denen nicht, so ahnungslos waren die nicht. Die haben sich benommen wie im Casino.
SPIEGEL ONLINE: Trotzdem lässt sich die deutsche Politik von genau diesen Menschen beraten - etwa vom Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann ...
Hauff: Die Regierung tut so, als ob sie das Problem schnell lösen kann. Das ist aber keine Strategie, die wirklich trägt. In dem Augenblick, in dem die Konsequenzen klarer werden, wird der Druck der Öffentlichkeit zunehmen.
SPIEGEL ONLINE: Was können wir aus der Krise lernen?
Hauff: Wir müssen es schaffen, die Krise auch für die Realwirtschaft als Chance zu nutzen und eine nachhaltige Entwicklung anzustoßen, um unser Land zukunftsfähig für kommende Generationen zu machen. Etwa indem wir energieeffizientere Autos bauen, eine neue Energiepolitik einläuten und mit der Kreislaufwirtschaft wirklich ernst machen.
SPIEGEL ONLINE: Trotzdem sind die großen Themen des vergangenen Jahres wie der Klimawandel und die Welthungerkrise quasi aus der Öffentlichkeit verschwunden ...
Hauff: Nicht ganz - man muss nur genau hinhören: So wird etwa momentan bei Opel diskutiert, welche Produkte zukunftsfähig sind. Auch andere Autohersteller bieten plötzlich sehr viel mehr energieeffizientere Wagen an also vorher. Und das ist richtig so - denn die Klimakatastrophe macht ja nicht halt, nur weil es auch eine Finanzkrise gibt.

Das Interview führte Susanne Amann

Dieser Bericht wurde nicht geprüft. Für Richtigkeit der Angaben übernimmt Silbernews.at keine Haftung.
Quelle: » http://www.spiegel.de