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Staatsbankrotte im Westen?

von Kommentar
Anleger schließen mittlerweile selbst Staatsbankrotte im Euroraum und ein Auseinanderfallen der Währungsunion nicht mehr aus. Wir haben die staatlichen Zahlungsausfälle der zurückliegenden Jahrzehnte untersucht. Demnach sind die Risiken immer dann hoch, wenn sich Staaten beträchtlich in ausländischer Währung verschuldet haben. Das ist bei den Problem-Ländern innerhalb der Währungsunion allerdings nicht der Fall. Außerdem könnten sie mit dem Hinweis auf die Stabilität der Währungsunion finanzielle Unterstützung durch die reichen EWU-Länder oder die EZB mobilisieren. Der Preis dafür wäre aber ein Verlust an finanzpolitischer Disziplin, der die Währungsunion langfristig schwächen könnte. Noch empfehlen wir, innerhalb des Euroraums Bundesanleihen zu bevorzugen und die Anleihen von Problemländern unterzugewichten.

Stilisierte Fakten von staatlichen Schuldenkrisen
Wirtschaftswissenschaftler des Internationalen Währungsfonds und des amerikanischen National Bureau of Economic Research haben die Schuldenkrisen der Vergangenheit untersucht, wobei die Studien bis zu 800 Jahre Historie ausgewertet haben. Danach lassen sich vier typische Grundmuster erkennen, wie die Krisen entstanden:
• Rohstoffexportierende Schuldnerländer verlieren Einnahmen, weil die Preise für Rohstoffe sinken. So war beispielsweise der Einbruch des Ölpreises ein wesentlicher Faktor für den Zahlungsausfall Russlands im Jahr 1998.
• Entwicklungen in den Gläubigerländern wie etwa eine restriktive Geldpolitik lassen die Zinsen international kräftig steigen. So setzten die Zinserhöhungen der Fed 1999/2000 die stark in Dollar verschuldeten Länder unter Druck und trugen zu dem Staatsbankrott Argentiniens 2001 bei.
• Die kapitalgebenden Schlüsselländer der Weltwirtschaft fallen in eine Rezession. So war die schwere Doppelrezession in den USA 1980 und 1981/82 mitverantwortlich für die folgende Schuldenkrise in Brasilien, Argentinien, Mexiko und anderen Ländern.
• Ansteckungseffekte durch eine Krise in einem anderen größeren Schuldnerland werden über Finanzmarkt- und Handelsbeziehungen übertragen. So ließ die Insolvenz Russlands 1998 die Risikoprämien für sämtliche Emerging Markets steigen, was auch andere Schuldner in Schwierigkeiten brachte.

Diese Faktoren haben die Krisen allerdings nur ausgelöst. Verursacht wurden sie dagegen von tiefer liegenden wirtschaftlichen Problemen wie einer hohen Verschuldung in fremder Währung: Die krisenanfälligen Länder hatten sich in den guten Zeiten zu stark verschuldet, da günstige Umstände wie steigende Rohstoffpreise oder niedrige Zinsen fälschlicherweise als dauerhaft angesehen wurden. Dies machte sie verwundbar, als sich die Rahmenbedingungen verschlechterten. Kamen dann ein heimischer Abschwung oder eine Rezession in wichtigen Geberländern zusammen, trockneten die internationalen Kapitalflüsse aus und die Auslandsverschuldung konnte nicht refinanziert und bedient werden.

Die Auslandsverschuldung in fremder Währung war sicherlich der wichtigste Faktor bei den Schuldenkrisen der vergangenen 40 Jahre. Beispielsweise hatte Argentinien Ende 2001, als es die Zahlungen auf den Großteil seiner Staatsschulden einstellte, Fremdwährungsverbindlichkeiten im Umfang von 140 Mrd. Dollar. Dies entsprach 54% des Bruttoinlandsproduktes und bedeutete einen kräftigen Anstieg gegenüber der Schuldenquote von 38% drei Jahre zuvor. Den steigenden Schuldenlasten standen zudem sinkende Staatseinnahmen gegenüber. Denn der seit 1991 im Verhältnis 1:1 an den Dollar gekoppelte Peso war massiv überbewertet, was eine schwere Rezession verursacht hatte.

Während sich heimische Schulden in eigener Währung oft „weginflationieren“ lassen, stand der argentinischen Regierung dieser Weg nicht offen, so dass sie schließlich die meist auf Dollar lautenden Schulden nicht mehr bedienen konnte.

Was heißt das für Griechenland, Italien & Co?
Griechenland, Italien, Irland und die anderen Problemländer innerhalb der Währungsunion unterscheiden sich in einem zentralen Punkt von den untersuchten Bankrottstaaten. Fast ihre gesamte Staatsschuld lautet mit dem Euro auf die gleiche Währung wie ihre Steuereinnahmen. Die EWU-Problemländer können ihre Bürger dazu zwingen, mit ihren Euro die auf Euro lautenden Staatsschulden zu bedienen. Letztlich sind die Staatsschulden dieser Länder durch die heimische Wertschöpfung gedeckt, auf die der Staat durch die Steuern direkt Zugriff hat. Anders als etwa Argentinien zu Beginn dieses Jahrzehnts sind sie nicht gezwungen, zur Bedienung der bestehenden Schulden Mittel in fremder Währung aufzunehmen. Deshalb sind Staatsbankrotte von EWU-Mitgliedern viel unwahrscheinlicher als von Ländern, die nicht Mitglied der Währungsunion sind und stark in fremder Währung verschuldet sind.

Allerdings werden die auf Euro lautenden Staatsschulden der EWU-Problemländer mittlerweile zu einem beträchtlichen Teil von Ausländern gehalten – bei italienischen Staatsschulden sind dies 45%. Ausländische Anleger streuen ihre Mittel meist global und würden sich viel eher aus einem Land zurückziehen als Inländer. Würden sich die Ausländer weigern, neue Staatsanleihen von EWU-Problemländern zu kaufen, käme es zu Finanzierungsproblemen.

Dabei bliebe es allerdings nicht. Die Erfahrung mit Staatsbankrotten zeigt, dass ein Staat, der seine Schulden nicht mehr bedient, häufig gleichzeitig seine Währung abwertet oder abschafft. Durch die damit verbundene Abwertung steigt die preisliche Wettbewerbsfähigkeit seiner Wirtschaft, was einen wirtschaftlichen Neuanfang erleichtert. Ein solches Land hat also einen Anreiz, auch bei seiner Währung reinen Tisch zu machen. Schließlich ist sein Ruf ohnehin ruiniert.
Ein Staatsbankrott innerhalb der EWU würde immer auch die Stabilität der Währungsunion und damit den Außenhandel und den Wohlstand der anderen Mitgliedsländer gefährden. Das wissen die stabilen Euroländer und würden deshalb im Falle des Falles Problemländern wohl unter die Arme greifen. Bei kleinen Ländern wie Irland wäre es denkbar, dass mehrere Euroländer ihnen direkt Garantien oder Kredit gäben. Bei großen Ländern wie Italien sähe das anders aus. In diesem Jahr dürften die Emissionen Italiens fast 50% der Emissionen der stabilen Länder ausmachen. Wollten Deutschland, Frankreich etc. im Falle eines hypothetischen Käuferstreiks Italien die nicht mehr absetzbaren Anleihen abkaufen, müssten sie jeweils fast die Hälfte mehr Staatsanleihen emittieren. Das könnten sie ihrer Bevölkerung kaum vermitteln. Schließlich handelt es sich bei der Europäischen Union nicht um einen Nationalstaat.

Bei großen Ländern böte sich eine andere Lösung an: Könnten sie ihre Anleihen nicht mehr direkt an Investoren verkaufen, bestände die Möglichkeit, sie an ihre Geschäftsbanken zu veräußern. Die Banken lieferten die Staatsanleihen in den Pfandpool der Zentralbank. Die Staatsanleihen dienten dann als Sicherheit für Darlehen, die die EZB den Geschäftsbanken im Rahmen ihrer üblichen Refinanzierungsgeschäfte gibt. Im Ergebnis hätte die EZB über die Geschäftsbanken das Staatsdefizit finanziert. Um etwa den für dieses Jahr verbleibenden Finanzierungsbedarf Italiens (162 Mrd Euro) zu decken, müsste die EZB das Volumen ihrer Offenmarktgeschäfte von zuletzt 695 Mrd Euro um eben diese 162 Mrd Euro oder 23% aufstocken. Das ist für sich genommen viel, die Zentralbankgeldmenge würde aber nicht stärker steigen als in den USA. Im Fall der Fälle könnte man so großen Euroländern mit Finanzierungsschwierigkeiten unter die Arme greifen, um ein mögliches Auseinanderbrechen der Währungsunion zu vereitel n.

Eine eventuell drohende Zahlungsunfähigkeit eines schwachen EWU-Landes könnte kurzfristig wohl immer vermieden werden – allerdings nicht langfristig. Denn Finanzhilfen würden den Anreiz der Empfängerländer schwächen, ihre grundlegenden Probleme (steigende Lohnstückkosten, geringe Investitionen in Forschung und Entwicklung, ineffiziente Verwaltung etc.) selbst zu lösen. Erst, wenn sie sich dazu durchringen, sind die Risiken für die Staatsfinanzen und den Euro endgültig gebannt.

Dr. Jörg Krämer, Chefvolkswirt, Commerzbank AG

Dieser Bericht wurde nicht geprüft. Für Richtigkeit der Angaben übernimmt Silbernews.at keine Haftung.
Quelle: » Handelsblatt.com