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Der schwarze Oktober

Von Carsten Germis und Winand von Petersdorff
23. November 2008 Was überrascht, ist die Geschwindigkeit, mit der die Wirtschaft von Hochstimmung in tiefe Betrübnis versinkt. "Die Krise verschont keine Branche und keine Region", sagt Daniel Stelter, Seniorberater für Boston Consulting: "Wir haben schon einige Rezessionen kommen sehen, aber selten war eine so schnell."
Die Krise ist überall: zur See, an Land oder in der Luft. Sie trifft die Hersteller von Markenjoghurts, die Weltmarktführer für Druckmaschinen, Chemieriesen wie BASF und die kleinen Möbelhäuser in Deutschlands Gewerbegebieten. In der Metall- und Elektroindustrie sagen zwei von drei Firmen, die Lage habe sich im Oktober verschlechtert oder sogar erheblich verschlechtert. Jedes siebte Unternehmen der Branche berichtet von "erheblich umfangreicheren" Stornierungen als in normalen Zeiten.

„Wie ein Tsunami"
Besonders die Sieger der Globalisierung spüren jetzt die Flaute. In diesem Sommer noch verdienten die Reeder mit Schiffen für Massengüter wie Erz oder Kies phantastisch. Die Frachtraten erreichten im Juni die Spitzenwerte von 230.000 Dollar pro Tag. Jetzt kostet es 3700 Dollar am Tag, einen großen Frachter zu mieten. Das reicht nicht mehr, um die Kosten zu decken. In den chinesischen Häfen stapelt sich das Erz. "Das ist ein Einbruch, wie ich ihn seit 35 Jahren nicht mehr gesehen habe", sagt Seefahrtsexperte Berthold Volk.
Das Werk eines deutschen Autozulieferers produzierte noch im Sommer in 18 Schichten je Woche fast rund um die Uhr. Die Firma kaufte extra teure Werkzeugmaschinen, um den Ausstoß mit aller Macht zu steigern. Wenige Wochen später ist das alles vorbei. Die Fabrik drosselt die Produktion auf sieben Schichten. Die wichtigsten Kunden, die Autobauer, bestellen nicht mehr. "Einige Unternehmen trifft der Abschwung wie ein Tsunami", sagt der Chef der Metallarbeitgeber, Martin Kannegiesser.
Lange Zeit nährten Ökonomen noch die Vorstellung, die Realwirtschaft werde in der Krise einigermaßen glimpflich davonkommen, und allein die Finanzwirtschaft bekomme größere Probleme. Auch die Wirtschaftsverbände zeigten sich noch lange optimistisch. "Vor nur wenigen Wochen haben mir alle Branchenverbände mit Ausnahme der Autoindustrie gesagt, es laufe bei ihnen weiter gut", berichtet Bundeswirtschaftsminister Michael Glos. Doch diese Hoffnung hat sich in Luft aufgelöst.
Das Gegenteil ist eingetreten, es wird für alle schlimm. Plötzlich korrigiert Branche um Branche ihre Erwartungen nach unten. "Es hat noch nicht jeder begriffen, wie dramatisch es im schlimmsten Szenario werden könnte", sagt Berater Stelter. Auch das Ifo-Institut malt schwarz: Nach Ansicht der Münchner Wirtschaftsforscher steht die Wirtschaft vor einer globalen Rezession. Das Weltwirtschaftsklima ist im vierten Quartal auf 60,0 Punkte gesunken - und damit auf den tiefsten Wert seit 1988.

Am 15. September 2008 kam der Einschnitt
Die Finanzkrise, mit der alles anfing, schwelt schon seit Mitte 2007, ohne dass die globale Nachfrage einbrach. Alle Probleme, die mit dem globalen Wachstum auf Pump verbunden sind, waren spätestens von da an erkennbar. Doch die Realwirtschaft produzierte munter weiter: "Die Unternehmen gaben Vollgas, obwohl die Kurve schon in Sicht war", sagt Jörn Niewiadomsky, der für Growtth Consulting Automobilzulieferer und Fluggesellschaften berät. Das Wachstum bekam zwar einen Dämpfer, doch die Stimmung in den Unternehmen blieb stabil positiv. Aber dann kam der Tag, von dem an die wichtigsten Akteure begannen, die Risiken in der Volkswirtschaft neu zu betrachten: der 15. September 2008.
An jenem Tag ging die amerikanische Investmentbank Lehman Brothers in die Insolvenz. Die amerikanische Regierung, die später den Versicherungsriesen AIG absicherte, verweigerte Lehman den Schutz. "Sie unterschätzte das systemische Risiko", sagt Commerzbank-Chef Martin Blessing heute zu dieser Entscheidung Washingtons. Von der Lehman-Pleite ging das Signal aus, dass sich die Krise nicht von selbst erledigt und nicht auf die Wall Street begrenzt bleiben werde, sagt Kai Carstensen, Konjunkturchef des Ifo-Instituts.
Berater Niewiadomsky sagt, er habe nur einen Tag erlebt, der zumindest eine Branche, die Fluggesellschaften, mit ähnlicher Wucht traf. Das war der 11. September 2001, als Terroristen das World Trade Center in New York und andere Ziele angriffen. Danach konnten viele Fluggesellschaften nur mit staatlichen Garantien weiterfliegen und nur nach harten Sanierungsschnitten überleben.

Finanz-Rezessionen sind tiefer und dauern länger
Die schwarze Woche an der Wall Street hatte zwei Effekte: Die normalen Leute und viele Unternehmen begannen, ihr Pulver trocken zu halten und zu sparen. Sie zögerten ihre Bestellungen hinaus. Sie stornierten schon erteilte Aufträge. Dass diese Effekte am Ende global durchgereicht werden und alle treffen, ist die Konsequenz der globalen Wertschöpfungsketten. Es gibt kaum noch Lagerhaltung; weniger Produktion in der spanischen Autofabrik stoppt damit auch die Bänder des Zulieferers aus der Pfalz.
Gleichzeitig reorganisiert sich die Finanzwirtschaft, sie schrumpft sich gesund. Hatte sie in den vergangenen Jahren die rapide Industrialisierung der Schwellenländer und die Globalisierung von Produktion und Beschaffung auf Pump und ohne Blick für Risiken finanziert, gilt es nun zuerst einmal, sich selbst zu retten.
"Deleveragen" heißt das Modewort der Zunft, mit dem die eigene Zukunft gesichert werden soll. Mit anderen Worten: Banken geben weniger Kredit. Global, so rechnet Boston Consulting vor, verzeichnet die Finanzwirtschaft 1,5 Billionen Dollar Verlust. Damit vermindert sich ihre Kapazität, Kredite zu vergeben, um 20 Billionen Dollar. Das entspricht rund sieben Prozent des globalen Kreditbuchs. Eine Faustregel besagt, dass ein Dollar Wachstum mit vier Dollar Kredit finanziert wird. Ohne Geld der Banken aber schrumpft die Wirtschaft.
Wie lange dauert das alles? Wann fasst die Wirtschaft wieder Tritt? Der Internationale Währungsfonds hat 100 Rezessionen untersucht und kommt zu einem betrüblichen Ergebnis. Rezessionen, die durch Finanzkrisen ausgelöst werden, sind tiefer, und sie dauern länger: Sie sind zwei- bis dreimal so tief wie gewöhnliche Einbrüche und dauern zwei- bis viermal so lang. Deswegen hat auch das Wirtschaftsministerium kaum Hoffnung, dass die Talfahrt bald zu Ende sein könnte. "In den kommenden Monaten deutet sich keine grundlegende Wende an", heißt es dort.

Text: F.A.S.
Bildmaterial: dpa, Ifo; VDA

Dieser Beitrag wurde nicht geprüft, www.silbernews.at übernimmt keine Verantwortung für Angemessenheit oder Genauigkeit dieser Mitteilung. Quelle: http://www.faz.net