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Panik 2008

In meinen 35 Jahren als Ökonom habe ich fünf Rezessionen und ungefähr ein Dutzend Finanzkrisen erlebt. Die aktuelle ist von einem ganz eigenen Kaliber.
Seit 14 Monaten erleben wir eine Kreditkrise. Seit dem 15. September aber sind die Zeichen unübersehbar, dass diese Krise in eine Panikphase eintritt. Der 2003 verstorbene Charles Kindleberger nannte das den "Moment der Abscheu" in einer Krise: flächendeckender, ansteckender Verkauf von Vermögenswerten, der die Banken dazu bringe, "keine Kredite mehr mit solchen Assets als Besicherung zu vergeben". Diese Angst treibt Investoren und Spekulanten dazu, zu verallgemeinern und viele für die Sünden weniger zu bestrafen. Es ist die gefährlichste Phase: Das Zusammenbrechen von Märkten und der damit verbundene Vertrauensverlust geraten in einen sich selbst verstärkenden Teufelskreis.
Das Wichtigste, was ich über finanzielle Paniken sagen kann, ist, dass sie alle temporär sind. Sie sterben entweder an Erschöpfung oder werden von der schweren Artillerie der Regierungspolitik überwältigt. Das wirft die Frage auf: Was ist nötig, um die Panik zu beenden? Kindleberger hat es sehr klar dargelegt. Eine Panik schaukelt sich hoch, bis einer oder mehrere von drei Faktoren wirken: 1) Preise fallen so tief, dass Investoren die notleidenden Wertpapiere kaufen; 2) Börsen werden geschlossen; 3) Zentralbanken greifen ein. Leider ist bislang in dieser Hinsicht noch nicht viel geschehen.
Das trifft besonders auf die Reaktion der US-Finanzpolitik zu, das "Emergency Economic Stabilization"-Gesetz, das anfangs vom Repräsentantenhaus verworfen und ein paar Tage später angesichts einer drohenden Kernschmelze der Märkte angenommen wurde. Der Plan wird sicherlich den am wenigsten liquiden Teilen des Marktes helfen. In mehreren Schlüsselbereichen ist er aber mangelhaft.
Der ursprüngliche Paulson-Plan umfasste 700 Milliarden Dollar. Die Version des Kongresses sieht einen Anfangsbetrag von nur 250 Milliarden vor, der Rest wird in zwei Tranchen freigegeben. Eine muss der Präsident beschließen und die andere der Kongress. Während einer Krise sollte die Politik eher zum Overkill neigen, doch der beschlossene Plan neigt eher zum "Underkill".
Die Politik sollte auch direkt und unmissverständlich darauf zielen, versagende Märkte zu stabilisieren. Der originale Paulson-Plan von dreieinhalb Seiten tat das. Er hatte Schwächen, zielte aber klar auf nicht mehr funktionierende Hypotheken- und Kreditmärkte. Der Kongress hat mit einem Gesetzestext geantwortet, der mehr als 500 Seiten lang ist und unter anderem Regelungen über Optionsscheine teilnehmender Institute, Beschränkungen der Managergehälter, eine zusätzliche Versicherung und vier neue bürokratische Aufsichtsfunktionen enthält. Das verwässert und schwächt die Wirkung auf die Angst an den Märkten.
Allen Mängeln zum Trotz - Amerikas Finanzbehörden haben wenigstens einen Plan. Ich wünschte, ich könnte mit Blick auf Europa dasselbe sagen. Dort hat die Finanzkrise nun ihre eigene Wirkung entfaltet. Das Sondertreffen von EU-Regierungschefs in Paris brachte viel Rhetorik und wenig gemeinsames Handeln. Das zeigt eine der größten Schwächen der Euro-Zone, das Fehlen einer gemeinsamen Fiskalpolitik. In einer Krise kann die Inkonsistenz nationaler fiskalpolitischer Reaktionen und einer einheitlichen Geldpolitik besonders problematisch sein. Das trifft besonders auf die EZB zu mit ihrem sturen Festhalten an nacheilenden Anforderungen bezüglich der Preisstabilität.
Da fiskalische Hilfsmittel nicht ausreichen, dürfte die Last der Krisenbewältigung nun stärker auf die Geldpolitik zukommen. Bei einer extremen Krise, wie wir sie zweifellos erleben, müssen Zentralbanken ein starkes, eindeutiges Statement abgeben, dass sie alles Erforderliche tun, um als Kreditgeber der letzten Instanz zu wirken.
Amerikas Federal Reserve sollte den Weg ebnen, indem sie den Märkten eine einfache Botschaft unbegrenzter Liquidität und Risikostützung sendet. Gleichzeitig sollte sie einen kräftigen symbolischen Schritt unternehmen und die Zinsen um mindestens einen halben Prozentpunkt senken. So würde sie zeigen, dass sie die Lage sehr ernst nimmt. Vor allem sollten die anderen großen Zentralbanken mitmachen in einer außergewöhnlich abgestimmten Reaktion, gerade auch die bislang noch zögernde EZB. Ich bin überzeugt, dass eine so starke Antwort der Geldpolitik angesichts der suboptimalen Antwort der Fiskalpolitik den Wahnsinn, der die Finanzmärkte erfasst, ein gutes Stück stoppen würde. Ein solches Vorgehen würde auch dazu beitragen, die Kollateralschäden zu begrenzen, die sowohl die US-Wirtschaft als auch die Weltwirtschaft treffen werden.
Amerikas Federal Reserve ist sicher kein unschuldiger Unbeteiligter dieses Debakels, vor allem angesichts der Rolle, die sie beim Schönreden der Exzesse des vergangenen Jahrzehnts gespielt hat. Wird sie weiter so handeln, die Irrtümer der dreißiger Jahre wiederholen? Ich denke das nicht, aber es ist höchste Zeit, dass ihr Präsident Ben Bernanke Klarheit schafft.
Bernanke ist vermutlich einer der berühmtesten Experten, was die Große Depression angeht. Er weiß besser als irgendjemand sonst, dass die wichtigste Lektion dieser dunklen Epoche in der Erkenntnis politischer Fehler der Zentralbank bestanden hat. Dieses Wissen muss nun in Taten umgesetzt werden.
Dasselbe gilt für Politiker und Zentralbanker in der ganzen Welt. Sie müssen nun endlich die Schuldzuweisungen einstellen, es handele sich um ein Krise "made in America", und müssen die Führungsaufgaben wahrnehmen, die auf sie zukommen. Eine Welt mit gegenseitigen Abhängigkeiten muss die härteste Krise der Globalisierung angehen. Die Alternative ist einfach inakzeptabel.

Dieser Beitrag wurde nicht geprüft, www.silbernews.at übernimmt keine Verantwortung für Angemessenheit oder Genauigkeit dieser Mitteilung. Quelle: http://www.handelsblatt.com