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US-Politiker empört über Dummheit der Regierung

Von Torsten Krauel 19. September 2008, 08:43 Uhr
Der Kongress kann die Strategie des Weißen Hauses in der Finanzkrise nicht nachvollziehen. Die Gier der Wall Street werde nur übertroffen durch die Dummheit des Finanzministers, heißt es. Der einzige Unterschied zwischen Notenbank und Chavez: Der Venezolaner verschwende keine Steuergelder.

Seit einigen Wochen fährt in Washington jeden Tag mittags ein Polizeikonvoi mit Blaulicht und Sirene die 22.Straße hoch und abends die 23.Straße wieder hinunter. Man kann fast die Uhr nach ihm stellen. Die Polizeifahrzeuge sichern zwei dunkelblaue Lastwagen einer Sprengfirma, die geheimnisvollem Tun nachgeht. Es war bis zu Wochenanfang das einzige Zeichen außergewöhnlicher Aktivität in einer Hauptstadt, die sich auf eine Zuschauerrolle im Wahlkampf vorbereitete.
Die Demokraten achteten weniger auf Wall Street als auf eine bedrohliche Entwicklung in den Online-Souvenirshops. Dort tauchte eine Flut von Palin-Kultprodukten auf – T-Shirts mit Pitbulls in Perlenkette und Lippenstift, oder Buttons mit bebrillten Pin-up-Girls samt Sternenbanner. McCain lag fünf Prozentpunkte vor Obama.

Dann schlug Hurrikan „Ike“ in Houston zu, am Montag folgte der Wall Street-Kollaps, und seither gibt es Anschauungsunterricht für den Satz, dass 24 Stunden in der Politik eine Ewigkeit sei. Dienstagmorgen hetzte Bush nach Texas und gleich wieder zurück. Termine kippten reihenweise, Minister wurden grau und gehetzt gesichtet. Seit Montag ließ Bush nur dreimal das Fernsehen an sich heran. Die Rückkehr General David Petraeus‘ aus dem Irak war einer der Anlässe, aber wen interessierte der Irak.

Beim dritten TV-Auftritt Donnerstagmorgen hatten die Kameraleute ihre Kopfhörer kaum übergestreift, da war Bush schon wieder weg. Es war die kürzeste Ansprache seiner Amtszeit. Im Kongress wusste keiner, was das Weiße Haus vorhatte. Das war für die Parlamentarier fast schon angenehm, denn sie waren ebenfalls ratlos. So jedenfalls äußerte sich ihr zweitwichtigster Vertreter, der Demokraten-Fraktionschef im Senat Harry Reid, und empfahl, lieber nichts zu unternehmen als das Falsche zu tun. Das Weiße Haus wollte derweil erst einmal herausfinden, was in New York geschah. Viele Banker dort hätten hohe Summen geboten, um selber eine Antwort zu bekommen. Und so wusste niemand etwas.

Der Kongress versteht das Weiße Haus nicht

Die Republikaner im Kongress gehörten zu den Ahnungslosen. Am Montag lobten sie die Entscheidung Bushs, das „gierige“ Bankhaus Lehman Brothers lieber pleite gehen zu lassen als ihm gutes Steuergeld hinterherzuwerfen. Am Dienstag schwiegen sie, als die Notenbank dann den Versicherungsriesen AIG übernahm. Sarah Palin sprach mit Elchjagd-Lächeln vom Opium, nach dem die „korrupte Wall Street“ süchtig sei. Es war ein Wortspiel mit der Abkürzung „OPM“, „Other People’s Money“ – anderer Leute Geld. Am Mittwoch fanden auch die Kongress-Republikaner ihre Sprache wieder. Aber ihr Feind war nicht Wall Street, sondern George W. Bush.
„Der Kongress kann die Strategie des Weißen Hauses nicht nachvollziehen – falls es überhaupt eine gibt“, sagte Roy Blunt. Blunt ist Fraktionschef der Partei Bushs im Unterhaus. „Weshalb ist AIG eine Rettungsaktion wert und Lehman nicht? Wir müssen das erklärt bekommen. Die Kommunikationslinien funktionieren nicht“, sagte Adam Putnam. Der erst 34 Jahre alte Putnam ist die Nummer Drei der Fraktion, ein kommender Mann, der einmal Präsident werden könnte. Er hatte am Dienstag Notenbankchef Ben Bernanke gelauscht, der ihnen einen Überblick über das Chaos gegeben hatte, aber anscheinend nur in eher allgemeinen Worten, denn nur Stunden später wurden die Republikaner von der AIG-Übernahme kalt erwischt.

Sie wurden so kalt erwischt, dass Abgeordnete mit weniger verantwortungsvollen Funktionen als Blunt oder Putnam ihrem Zorn freien Lauf ließen. „Zu sagen, ich sei wütend, wäre noch untertrieben“, empörte sich ein Vertreter aus Kentucky. „Die Gier in Wall Street wird nur noch übertroffen durch die Dummheit des Finanzministers und des Notenbankchefs.“ Und wo er nun einmal das Wort hatte, fügte er mit Blick auf Hugo Chavez‘ Enteignungspolitik in Venezuela hinzu: „Der einzige Unterschied zwischen der Notenbank und Chavez ist, dass Chavez wenigstens keine Steuergelder verschwendet – er nimmt sich die Firmen einfach so.“
Jim deMint aus South Carolina, ein neuer Hoffnungsträger des konservativen Flügels, konstatierte, die „gescheiterte Regierungspolitik“ sei für das ganze Finanzdesaster in erster Linie verantwortlich. „Unsere Führung muss jetzt mal aufwachen und Konzepte vorschlagen, die das gescheiterte Herumschrauben der Regierung beendet und mit neuen Steuersenkungen frisches Kapital auf unsere Märkte lockt.“ Die Fiskalkonservativen waren nie Freund mit Bush. Nun war ihr Misstrauen hell entflammt. Sie ahnten noch nicht, wie sehr Bush sie 24 Stunden später auf die Probe stellen würde.

Finanzkrise und Wahlkampf

Seit Montag waren aber auch die Wahlkämpfer draußen im Lande aus dem Tritt geraten. John McCain sagte am Montagvormittag, die „Grunddaten der Wirtschaft sind in Ordnung“. Am Dienstagmorgen sagte er, mit den „Grunddaten“ habe er „die amerikanischen Arbeiter“ gemeint, am Mittwoch griff er scharf die „Gierhälse auf Wall Street“ an, die die Arbeiter verraten hätten. Donnerstag sagte er, die Börsenaufsicht habe „Regeln in Kraft gelassen, die aus Wall Street ein Kasino gemacht haben“ und bot eine Lösung an: „Wenn ich Präsident wäre, würde ich den Chef der Börsenaufsicht feuern.“ Den darf ein Präsident aber nicht feuern. Err wird für einen festen Zeitraum ernannt. Das übersah auch Barack Obama, der im fernen New Mexico der Nation zurief: „In 47 Tagen haben Sie Gelegenheit, gleich den ganzen Washingtoner Klüngel zu feuern!“

Obama war jetzt in seinem Element. Attacke! Gegenangriff! Wer hat die letzten acht Jahre regiert? Wer hat uns das eingebrockt? Obama hatte dabei das Glück, mit seinen präzisen Sätzen stets im Freien unter blauem Himmel aufzutreten, in sonnigen Staaten wie Colorado und New Mexico. Es war ein zukunftsfrohes Bild. Obama wirkte weitaus weniger emotional als McCain. Dieser trat zu Wochenbeginn, je unübersichtlicher die Lage wurde, desto angespannter, ja fast bebend zornig und in dunklen Hallen vor sein Publikum. Der Kontrast war scharf. Am Donnerstag schien McCain sich wieder gefasst zu haben. Doch da war er in den Umfragen schon vier Prozentpunkte hinter Obama zurückgefallen.

Linksliberale Moderatoren erregten sich: Wo ist Bush?! Wieso hält er keine Rede an die Nation? Das ist ein zweites „Katrina“! (2005 hatte Bush nach dem Hurrikan „Katrina“, der New Orleans überflutete, erst spät reagiert.) Von Obama kam am Donnerstag um 15.08 Uhr eine Mail. „Mein Plan: Erstens 1000 Dollar Steuernachlass für den Mittelstand, zweitens ein zweites Konjunkturpaket, drittens neue Regeln für den Finanzsektor.“ Minuten später meldete der Finanz-TV-Sender CNBC, Bush arbeite an der ganz großen Lösung – einer staatlichen Auffanggesellschaft für sämtliche faulen Wohnungskredite und ihre Derivate. (Es war das erste Mal in diesem Wahlkampf, dass ein TV-Sender statt der Blogger eine Blitznachricht hatte.)
Das Vorbild würde der halbstaatliche „Lösungstrust“ sein, mit dem Bushs Vater 1989 die Milliardenpleite von Genossenschaftsbanken in einer Partnerschaft zwischen Union, Bundesstaaten und Investoren aufgefangen hatte. Der Dow Jones schoss nach oben. Am Abend fuhren Notenbankchef Bernanke und Finanzminister Paulson zum Kapitol, um sich feierlich mit den Spitzen aller Fraktionen zu treffen. Anschließend war klar: Das Parlament bekommt mit einem komplizierten Gesetzespaket alle Hände voll zu tun. An Ferien ist nicht zu denken.

Auch nicht für Bush. In Texas beginnt die Stimmung zu kippen. Zwölf Raffinerien liegen still, Millionen Texaner sind in der Spätsommerhitze ohne Strom. Sechs Tage nach „Ike“ hatte die Katastrophenschutzbehörde FEMA Donnerstag noch immer kein einziges Hilfscenter laufen, und die Telefonleitungen endeten in Warteschleifen. Lauert in Texas vielleicht doch ein zweites „Katrina“? Dienstag hält Bush zudem seine letzte Rede auf einer Uno-Generaldebatte. Bis dahin muss eine Lösung für Wall Street stehen, sonst gibt es bissige Kommentare. Freitag kommt Hamid Karzai nach Washington. In seinem Beisein will Bush eine Truppenverlegung und neue Strategie in Afghanistan verkünden, wie 2007 im Irak. Allein das ist ein Vorhaben, das die ganze Kraft beansprucht. Vorgestern nahm Bush sich trotzdem eine Auszeit. Er fuhr zu Dick Cheney und trank dort mit vierzig genesenden Soldaten Tee.
Die Republikaner im Kongress aber verfielen in erschüttertes Brüten. 1989 war es bei den Genossenschaftsbanken um 160 Milliarden Dollar gegangen, und schon damals hatten sie protestiert. Nun geht es um ein Vielfaches der Summe. Vor allem aber ist in ihren Augen die Notenbank mit der Übernahme von AIG-Aktien zu einem Monstrum geworden, zu einem Bastard aus Steuerungsgremium und Unternehmer. Jetzt soll womöglich der ganze Finanzsektor unter ihre direkte Kontrolle kommen? Das ist Sozialismus in Amerika! In unserem guten Namen! Nicht einmal mehr zu einer Email an die Medien hatten die konservativen Republikaner am Donnerstag noch die Kraft.
Für sie ist die Lage klar. 234 Tage nach Bushs Eidesleistung prägte ein Terrorangriff auf Wall Street seine Amtszeit. Die Folge war eine gewaltige Ausweitung der nationalen Sicherheitsbehörden. 124 Tage vor Bushs Ausscheiden führt Wall Streets Kannibalismus nun womöglich zu einer Ausweitung der Regierungsrolle im Wirtschaftssektor wie zuletzt unter Franklin Roosevelt.
Ausgerechnet! Die Konservativen hatten dessen Erbe kippen wollen. Das war seit 1968 ihr Ziel. Roosevelts Usurpation von Kompetenzen der Bundesstaaten und die nachfolgende soziale Regelungswut Washingtons – das alle sollte endlich verschwinden. Richard Nixon hatte sie mit seinen Lohn- und Preiskontrollen bitter enttäuscht. Aber Ronald Reagan hatte 1981 mit dem Satz „Die Regierung ist das Problem, nicht die Lösung“ dann endlich den Startschuss gegeben. Zwanzig Jahre später haben die Konservativen George W. Bush gewählt, um dieses Ziel zu vollenden. Er verläßt Washington nun als ein Präsident, der die Regierung stattdessen so ausgeweitet hat wie nur noch Franklin Delano Roosevelt. Die Fiskalkonservativen sind entsetzt. Die Ära Bush endet damit, dass faule Kredite in Billionenhöhe beim US-Steuerzahler landen, während China sich in Wall Street als Aufkäufer umsieht. Vielleicht kann man die Sprengfirma engagieren, deren Konvoi täglich durch Washington rollt?
Sarah Palin sprach vorgestern auf einer Veranstaltung von einer „künftigen Regierung Palin-McCain“ und machte so einem Karikaturisten Freude, der kürzlich einen Sticker mit dem Slogan gezeichnet hatte „Palin-McWieheißtdergleich“. John McCain hat sich äußerlich aber wieder gefangen. Sein Lieblingsroman ist „Wem die Stunde schlägt“. Zitat aus ihm: „Es war ein furchtbarer Sturm. Aber warum ihn nicht genießen. Er ruinierte alles, aber warum ihn nicht einfach genießen.“

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