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Die große Finanzkrise hat eben erst begonnen

Wer annimmt, die Misere finde bald ein Ende, der irrt. Geht es um Abschreibungen, Verluste und frisches Eigenkapital, hat die Krise für Banken erst begonnen. Die zu erwartenden Verluste werden sich auf 1600 Milliarden Dollar summieren. Davon sei erst ein Bruchteil an die Oberfläche gekommen. Zu diesem Schluss kommt eine vertrauliche Studie, die der SonntagsZeitung vorliegt.

Das ist aber noch nicht alles. Während Banken ihr Ehrenwort abgeben, kein weiteres Kapital zu benötigen, heisst es im Papier von Bridgewater Associates: «Wir haben grosse Zweifel, dass es den Finanzinstituten gelingen wird, genügend neues Eigenkapital aufzunehmen, um die Verluste zu decken. Das wird die Kreditklemme verschlimmern.»

«Wenn das alles stimmt», sagt Charles Wyplosz, Professor an der Universität Genf, «werden etliche Finanzinstitute Pleite gehen.» Das Analysepapier gilt in Fachkreisen nicht nur wegen seines Inhalts als «hot», sondern auch wegen des Absenders: Bridgewater Associates ist der zweitgrösste Hedge Fund der Welt. Die Köpfe dahinter gelten als brillant, allen voran Ray Dalio, der die Firma vor über dreissig Jahren gegründet hat.

26 600 Milliarden Dollar Schulden gelten als riskant

Die Firma gehört zu den grossen Namen in der Branche. Gewicht haben ihre Makro-Analysen vor allem auch bei Notenbankern - einige Notenbanken sind Kunden von Bridgewater. Die Schweizerische Nationalbank sagt auf Anfrage, sie kommentiere solche Studien grundsätzlich nicht.

Was steht für die Banken auf dem Spiel? Um die Dimension der Krise für Finanzinstitute zu ermitteln, hat Bridgewater berechnet, wie hoch die zu erwartenden Verluste auf einer breiten Palette risikobehafteter schuldenbasierter US-Vermögenswerte wie Hypotheken-, Kredit- oder Kreditkartenforderungen ausfallen werden. Denn man wisse grundsätzlich, wer wie viel wovon in den Büchern halte. Der Bestand dieser risikobehafteten Vermögenswerte beläuft sich wertmässig auf 26 600 Milliarden Dollar. Die Verluste darauf werden sich auf 1600 Milliarden Dollar summieren, wenn alle Vermögenswerte zu Marktpreisen bewertet werden und nicht nur die in verbriefter Form gehaltenen, schreibt Ray Dalio.

Ein klassischer Kredit ist nicht zu Marktpreisen bilanziert, denn er wird nicht gehandelt. Bezogen auf die 26 600 Milliarden Dollar entsprechen die Verluste einer Wertminderung von 6 Prozent. Wenn die Marktpreise steigen, reduziert sich der Verlust; wenn die Kurse fallen, steigen die Verluste.

Die grössten Verluste stehen den US-Kreditbanken bevor

Bisher haben Finanzinstitute erst Verluste von 400 Milliarden Dollar eingeräumt, rechnet Bridgewater vor. Nicht-US-Banken - allen voran die UBS - lieferten mit 238 Milliarden Dollar den grössten «Beitrag» daran. Die höchsten Verluste stünden den US-Kreditbanken bevor. Das sind Namen wie Citigroup, Bank of America und J.P. Morgan Chase und viele kleinere, hier zu Lande unbekannte Institute.

Warum? Weil die Vergabe von Krediten ihr Kerngeschäft ist und sie den Hauptteil der betroffenen Vermögenswerte halten. Aber auch, weil ein grosser Teil davon aus klassischen Kreditforderungen besteht, die anders als verbriefte Hypotheken nicht gehandelt werden und deren Wert in der Bilanz noch nicht berichtigt worden ist. «Wenn wir zu heutigen Marktpreisen bewerten, haben wir einen weiten Weg vor uns, denn diese Institute haben erst einen Sechstel der erwarteten Verluste eingestanden, die sie als Folge der Kreditkrise erleiden», schreibt Bridgewater. Fünf Sechstel entsprechen knapp 500 Milliarden Dollar.

Die grosse Frage lautet: Schaffen es die Banken, die Verlustlöcher mit neuem Eigenkapital zu stopfen? Allein bei den genannten US-Kreditinstituten geht es um über 400 Milliarden Dollar, schätzt Bridgewater. Die Bankindustrie habe nicht genug gesunde Institute, um die kranken zu absorbieren, während sich Bankaktien in freiem Fall befinden. Und die Staatsfonds aus dem mittleren Osten haben den Appetit verloren.

Die internationale Verflechtung macht alles viel komplizierter

Falls es den Banken, wie Dalio befürchtet, nicht gelingen wird, genügend frisches Eigenkapital zu mobilisieren, wären sie gezwungen, Vermögenswerte zu veräussern - und zwar in einem Konjunkturabschwung. Das könnte eine klassische Todesspirale nach unten auslösen, da Verkäufe von Vermögenswerten deren Kurse drücken, was wiederum die Bankbilanzen schwächt und weitere Verkäufe nach sich ziehen würde. «Wir stehen wieder vor einer Lawine Not leidender Vermögenswerte, die enorm ist im Vergleich mit jeder denkbaren Nachfrage danach», sagt Dalio.


Erschwerend komme hinzu, dass «clevere» Investoren im Frühjahr grosse Mengen verbriefter Kredite gekauft hätten, als deren Preise sanken - in der Hoffnung, ein Schnäppchen zu machen. Sollten die Preise weiter fallen, gerieten diese Investoren massiv unter Druck, vor allem die vielen, die mit gepumptem Geld unterwegs sind.

Was stimmt Dalio so pessimistisch? Die USA stecken in einem grossen Entschuldungsprozess; einem «classic deleveraging», so wie Japan in den Neunzigerjahren oder viele Länder während der Weltwirtschaftskrise in den Dreissigerjahren oder die Entwicklungsländer während ihren Schuldenkrisen. Nur sei diesmal alles viel komplexer, vor allem wegen der enormen internationalen Verflechtung des Finanzgeschäftes. Erschwerend kommt hinzu, dass die US-Konsumenten überschuldet sind, der Zugang zu billigem Geld nun aber versperrt ist.

Zudem sind die USA von ausländischem Kapital abhängig, um einen Lebensstil zu finanzieren, der über ihren Verhältnissen liegt. «Die Aussichten für den Dollar sind düster. Sehr, sehr düster», sagt ein ehemaliger Notenbanker der SonntagsZeitung.

Der wirkliche Abschwung wird in den USA erst beginnen

Bisher seien die finanziellen Probleme als Folge der Finanzkrise gross und die wirtschaftlichen klein gewesen, weil die wirtschaftlichen den finanziellen jeweils mit zeitlicher Verzögerung folgen. Nach einem durch Liquiditätsspritzen der US-Zentralbank induzierten kurzen Aufbäumen zwischen März und Juni stünden Wirtschaft und Finanzsystem der USA nun an der Schwelle zum wirklichen Abschwung, sagt er. Das als Folge der Krise schlechtere Kreditumfeld in der Realwirtschaft werde nun negativ auf den Finanzsektor rückkoppeln.

Phase eins der Kreditkrise war geprägt durch den Kollaps des Immobilienmarkts in den USA und den Crash im Markt für Subprime-Hypotheken. Phase zwei - eine Art Atempause - fing mit der Rettung der US-Investmentbank Bear Stearns Mitte März an. Diese lief im Juni aus, als der Optimismus an den Finanzmärkten sich wieder verflüchtigte. Nun beginnt Phase drei. «Bridgewater ist auf der pessimistischen Seite, keine Frage», sagt George Magnus, Senior Economic Adviser der UBS in London, «aber Bridgewater hat absolut Recht.»

Quelle: Sonntagszeitung, 6.7.2008