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Wolfgang Münchau: Eure Währung, Euer Problem

von Wolfgang Münchau

Der Rettungsplan von US-Finanzminister Hank Paulson ist nicht nur 700 Mrd. $ schwer. Er ist auch der bislang größte wirtschaftspolitische Fehler der Bush-Administration.

In der letzten Woche war ich recht pessimistisch, was die weitere Entwicklung der Finanzkrise angeht. Nach der Rettungsaktion von US-Finanzminister Hank Paulson bin ich noch viel pessimistischer. Denn dieses Paket hat drei grundlegende Probleme.
Erstens ändern die Aufkäufe von Schrottpapieren nichts an der zu schwachen Kapitalisierung der Banken. Das Problem ist behebbar und wird möglicherweise behoben. Momentan verhandelt der Kongress darüber, ob die Regierung als Gegenleistung für den Aufkauf dieser Papiere Vorzugsaktien der Finanzinstitute erhalten sollte.
Zweitens verzögert diese Aktion den absolut notwendigen Schrumpfungsprozess des amerikanischen Finanzsektors und behindert die Anpassung der aufgeblasenen Wertpapierpreise. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs ist in den USA der Anteil des Finanzsektors von zwei Prozent auf nahezu acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gestiegen. (Es gibt auch andere Zahlen, die auf anderen Klassifizierungen beruhen. Entscheidend ist, dass sich der Anteil vervierfacht hat.) Es ist zwar müßig, über den optimalen Anteil zu streiten. Aber es ist offensichtlich, dass er in den USA im Post-Subprime-Zeitalter zu hoch ist. Nur hängt das amerikanische Establishment leider immer noch an der Idee, dass der Finanzsektor auf Biegen und Brechen in seiner jetzigen Größe erhalten werden muss.

Eher 2000 als 700 Mrd. Dollar

Das dritte Problem ist das gravierendste. Der Schuldenstand der USA wird als Folge dieser Krise dramatisch ansteigen. Man sollte dazu wissen, dass es sich nämlich nicht um ein "700-Mrd.-$-Paket" handelt, wie Zeitungen schreiben. Die Summe bezieht sich lediglich auf die Obergrenze der Staatsverschuldung, die um diesen Betrag angehoben wird. Sie ist eine Art Bilanzsumme, keine Ausgabensumme. Je nachdem, wie die Schrottpapiere bewertet werden, kann und wird die US-Regierung weit über diese Grenze hinaus intervenieren.
Ich gehe mittlerweile davon aus, dass sich der Gesamtschaden dieser Krise allein in den USA auf über 2000 Mrd. $ belaufen wird. Diese Summe wird sich erhöhen, wenn es Verwerfungen im Markt für Credit Default Swaps gibt - womit ich ebenfalls rechne. Wenn wir die Verluste der Marktteilnehmer kompensieren wollen, und das sieht Paulsons Plan letztlich vor, schwellen die Schulden um diesen Betrag an. Die Finanzkrise ist somit ökonomisch für die USA mindestens so gravierend wie die Wiedervereinigung für Deutschland.
Hier ein paar Rechnungen auf dem Rücken eines Briefumschlags: Die öffentlichen Schulden liegen bislang bei rund 37 Prozent des BIP. Die Schulden verschiedener halbstaatlicher Betriebe und Agenturen belaufen sich auf ungefähr 29 Prozent, was zusammen 66 Prozent ergibt. Dazu kommen noch mal 20 oder 30 Prozent vom BIP durch die Finanzkrise. Das ergibt einen möglichen Schuldenstand von knapp 100 Prozent. Somit bewegen sich die Vereinigten Staaten in puncto Haushaltspolitik in Richtung Japan und Italien.
Jetzt stellt sich die Frage, wie die USA damit umgehen werden. Wird die amerikanische Regierung als Konsequenz steigender Schuld eine gnadenlose Konsolidierungspolitik betreiben? Natürlich nicht. Man wird doch nicht die Steuern erhöhen, so wie wir das machen würden. Oder würden die wachsenden Staatsschulden dadurch teilweise kompensiert, dass der Privatsektor weniger konsumiert und seine Schulden abbaut? Das wird zum Teil passieren. Das Zeitalter negativer Sparquoten ist sicherlich vorbei. Aber ich erwarte in den USA keine deutschen Sparquoten.
Ich schätze, die USA werden am Ende den vermeintlich weichen Weg der Geldentwertung gehen. Der politische Druck auf die Notenbank wird zunehmen, die jetzigen und zukünftigen Steuerzahler zu entlasten, indem man einen Teil der Schulden durch das vermehrte Drucken neuen Geldes finanziert. Zur Kasse gebeten werden dann die Investoren, also die Überschussländer wie China, die einen sehr großen Anteil ihrer Reserven in Dollar-Anleihen investiert haben. Das wird enorme Verwerfungen an den internationalen Finanzmärkten zur Folge haben und den Wechselkurs des Dollar zum Euro weiter belasten. Die Finanzierungsbedingungen für die USA werden sich drastisch verschlechtern, die amerikanischen Marktzinsen werden steigen, und die Notenbank wird irgendwann einmal gezwungen sein, die permanente Niedrigzinspolitik aufzugeben. Es ist das Ende des "exorbitanten Privilegs": des Rechtes, für immer und ewig über seine Verhältnisse zu leben.
Die Ratingagentur Moody's schrieb diese Woche, das "AAA"-Rating der USA sei nicht in Gefahr, denn die USA seien eine dynamische Wirtschaft mit guter Wirtschaftspolitik und starken Bilanzen. Das las sich fast wie ein Witz, war aber vermutlich ernst gemeint. Über gute Wirtschaftspolitik kann man streiten. Die Qualität der Staatsbilanzen wird sich in den nächsten Jahren dramatisch verschlechtern, und das wiederum wird auch die Dynamik der Volkswirtschaft beeinträchtigen. Auch Japan hat sich binnen kürzester Zeit von einer der dynamischsten Volkswirtschaften der Welt in Richtung permanente Stagnation entwickelt.
Im Grunde kann der Staat jede Finanzkrise beenden. Die Frage ist nur, zu welchen Kosten. In der amerikanischen Debatte fällt der alte Reflex des "exorbitanten Privilegs" immer noch auf, nach dem Motto: unsere Währung, euer Problem. Wenn man die langfristigen makroökonomischen Konsequenzen berücksichtigt, sollte man sich schon die Frage stellen, ob es nicht günstigere Möglichkeiten gibt, das Gröbste zu verhindern, zum Beispiel durch eine teils staatliche, teils private Rekapitalisierung einiger ausgewählter Banken. Langfristig könnte man den staatlichen Anteil wieder veräußern. Das hätte viel weniger gekostet und würde eine hochwillkommene Schrumpfung des amerikanischen Finanzsektors zulassen.
Paulsons Schuldenplan hingegen wird sich langfristig als der größte wirtschaftspolitische Fehler der Bush-Administration herausstellen.

Wolfgang Münchau ist FTD- und FT-Kolumnist. Er leitet den Informationsdienst Eurointelligence.com.

Dieser Beitrag wurde nicht geprüft, www.silbernews.at übernimmt keine Verantwortung für Angemessenheit oder Genauigkeit dieser Mitteilung. Quelle: http://www.ftd.de

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