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Der Preis des Geldes

von Tobias Bayer (Frankfurt)

Großbanken, Ölunternehmen, Hausbesitzer - sie allen schauen auf die Geldmarktsatz Libor. Doch jetzt wachsen Zweifel an der wichtigen Finanzkennzahl: Kritiker behaupten, dass hier systematisch getrickst wird. Der britische Bankenverband will nun gegensteuern.

Insgesamt 350.000 Mrd. $ an Kreditinstrumenten basieren auf der London Interbank Offered Rate (Libor). Mit ihrer Helfe werden Bewertungen von Aktien und Anleihen durchgeführt. Auf mehr als 300.000 Bildschirmen blinkt sie täglich auf. Dabei ist der Geldmarktsatz mehr als ein bloßer Indikator: Er ist das Fieberthermometer des Kapitalmarkts und gibt Auskunft über den Gesundheitszustand der Kreditwirtschaft. Doch das Vertrauen in die Kennzahl, die jeden Tag von der British Bankers' Association (BBA) um 11 Uhr Londoner Zeit ermittelt wird, ist erschüttert. Der Vorwurf: Bei Libor wird systematisch getrickst. Die BBA diskutiert am Freitag über Änderungen - der Ausgang ist offen.
Seit 1984 befragt die BBA täglich 16 internationale Großbanken, zu welchen Sätzen sie sich Geld leihen. Das macht sie für 15 verschiedene Laufzeiten und zehn Währungen. Dabei werden die größten Ausreißer herausgerechnet und am Ende ein Mittelwert errechnet. Im Zuge der Kreditkrise hat sich Libor aber deutlich von anderen Geldmarktindikatoren entfernt. Einige Experten haben folgende Vermutung: Da die Sätze auch für einzelne Banken offengelegt werden, haben die Kreditinstitute ein Interesse, möglichst niedrige Werte auszuweisen, um im Markt als solide wahrgenommen zu werden. Das ist möglich, da die Libor-Raten für die Banken nicht bindend sind. Das heißt: auf sie wird nicht gehandelt.

Die traumhaft günstigen Konditionen der UBS

Ein beliebtes Beispiel: Nach Analysen der Nachrichtenagentur Bloomberg hat die Schweizer Großbank UBS in 85 Prozent der Fälle zwischen Juli und April der BBA mitgeteilt, sich günstiger refinanzieren zu können als ihre Rivalen. Das Seltsame daran: Die UBS hat die Krise mit Abschreibungen in Höhe von 38 Mrd. $ besonders hart erwischt. "Selbst als der Markt wusste, dass die UBS große Subprime-Risiken hatte, spiegelte sich das nicht im Libor wider", wundert sich Antony Broadbent, ein unabhängiger Bankberater und langjähriger Analyst bei Sanford C. Bernstein.
Träfen die Vermutungen zu, würde das Libor in Frage stellen - und eine einzigartige Erfolgsgeschichte beenden. Der britische Geldmarktsatz wird in den Märkten für den kanadischen sowie neuseeländischen Dollar, in der schwedischen Krone, dem Schweizer Franken und sogar im US-Dollar als Benchmark akzeptiert. In den Vereinigten Staaten hat er seit den 80er-Jahren die Schatzwechsel als Geldmarktindikator verdrängt.

Schummeln theoretisch möglich

Allerdings hat sich Libor nicht in allen Fällen durchgesetzt: Im philippinischen Peso, dem Singapur-Dollar und dem thailändischen Baht nutzen die Banken die Zinsen, die sich aus Devisenswaps ergeben. Im chinesischen Renminbi wird auf den Siebentages-Repo geschaut. In Europa hat der Euribor großen Stellenwert erlangt. Er ist die Referenz für den Euribor-Future an der Terminbörse Liffe. Wie beim Libor werden dafür Banken befragt. Allerdings sind es derzeit 43. Weiterer Unterschied: Während beim Libor 25 Prozent der höchsten und tiefsten Angebote nicht berücksichtigt werden, sind es beim Euribor nur 15 Prozent.
Experten halten es für möglich, dass die Banken zu tiefe Gebote ausweisen: "Wenn es Zweifel an der Liquidität gibt, könnten Banken einen Anreiz haben, das zu tun", schreiben Jacob Gyntelberg und Philip Wooldridge, Ökonomen bei der Bank für internationalen Zahlungsausgleich, in einer Studie. Durch das Herausrechnen von Ausreißern allein sei das Problem nicht in den Griff zu bekommen: "Es besteht die Möglichkeit, dass sich die Banken absprechen oder gleichzeitig ihr Verhalten ändern", schreiben Gyntelberg und Wooldridge.
Zu den größten Libor-Kritikern gehören Scott Peng, Monty Gandhi und Alexander Tyo von der Citigroup. Sie sprechen von einer "Glaubwürdigkeitskrise". "Wir sind der Ansicht, dass Libor die tatsächlichen Refinanzierungskosten der Banken um 20 bis 30 Basispunkte unterschätzt", schreiben sie in einem Researchbericht. Ihr Ansatz: Sie vergleichen Libor mit anderen Geldmarktsätzen wie dem von der US-Notenbank Fed täglich veröffentlichten Eurodollar-Satz. Letzterer umfasst auf Dollar lautende Einlagen bei ausländischen Banken. Die Fed greift dabei auf die Daten des Brokerhauses ICAP zurück.
Da es sich beim Eurodollar um Gebote handelt, müsste er theoretisch unter Libor notieren, da der britische Satz Angebote umfasst. Im April jedoch lag der Eurodollar 29 Basispunkte über Libor, was die Citigroup-Analysten verdächtig finden: "Das ergibt ökonomisch keinen Sinn. Einer der beiden Sätze kommt für tatsächliche Geschäfte nicht in Frage", folgern die Experten. Und für sie steht fest: Es muss der Libor sein. "Dafür gibt es auch klare Hinweise aus dem Markt. So haben sich europäische Banken nach unseren Informationen Dollarguthaben in großem Umfang geliehen. Aber zu deutlich höheren Konditionen als dem Libor", schreiben die Citigroup-Analysten.
Nicht überzeugt von dieser These sind Terry Bolton, Fabio Bassi, Alex Röver und Srini Ramaswamy von JP Morgan. Sie halten die Kritik an Libor für überzogen und nicht haltbar. Ihr Gegenargument: Bei Libor werden nur die größten Banken der Welt befragt. Demgegenüber kann jedes Finanzinstitut sich Geld auf dem Eurodollar-Markt besorgen. "In einem Marktumfeld, wo Kreditrisiken eine herausragende Rolle spielen, ist es höchst plausibel, dass die größten Banken einen Vorteil haben", schreiben die JP-Morgan-Experten. Zudem sei Libor um die Ausreißer bereinigt: "Die größten Datenabweichungen werden herausgerechnet. Das ist beim Eurodollar nicht der Fall." Der Tenor: Mit Libor ist alles korrekt.

BBA hat nur wenig Optionen

Experten sind skeptisch, ob die BBA etwas ändern wird. Ihr Spielraum ist ohnehin begrenzt. Eine Option: Sie kann das Panel der Banken erweitern und beispielsweise größere US-Geschäftsbanken wie Wells Fargo und Wachovia aufnehmen. Das Problem dabei: Da solche Institute stark im Privatkundengeschäft vertreten sind und über hohe Kundeneinlagen verfügen, könnten sie sich womöglich auf dem Interbankenmarkt zurückhalten - mit dementsprechenden Folgen für den Libor-Satz.
Zweite Option: Die Zeit der Libor-Fixierung verschieben. Da sie momentan um 11 Uhr Londoner Zeit durchgeführt wird, spiegeln sich viele Nachrichten und Konjunkturdaten des Tages im Geldmarktsatz nicht wider. Doch eine Verschiebung auf 10 Uhr US-Ostküstenzeit hätte auch Nachteile: "Kleinere europäische Banken könnten in Liquiditätsschwierigkeiten geraten, da sich so ihr Handelstag verkürzt", schreiben die JP-Morgan-Experten und fügen lakonisch an: "Die einzigen, die sich angesichts einer solchen Verschiebung freuen würden, sind die Händler, die später ins Büro kommen müssten."
Drittens könnte die Berechnungsmethode geändert werden. Statt einem Durchschnitt könnte der Median herangezogen werden. Doch das würde Libor nur minimal verändern - "und vor allem die Statistikfreunde" befriedigen, wie ein Händler spottet.
Bleibt am Ende alles beim Alten? JP Morgan hofft darauf: "Der Libor ist im globalen Finanzsystem eingebettet. Ob ein anderer Indikator weniger anfällig für Verzerrungen ist, kann diskutiert werden. Nicht verhandelbar ist, dass nichts Libor ersetzen kann."
Quelle: http://www.ftd.de