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"Euro löst Dollar als Leitwährung ab"

Die Rekordmarke von 1,50 Dollar hat der Euro geschafft - wie weit steigt er noch? Bedroht das Währungshoch Jobs und Konjunktur? Drei Experten geben Antworten. Die Ökonomen Straubhaar, Dreger und der Wirtschaftsweise Bofinger über die enormen Risiken - und die wenigen Vorteile des Hochs.

SPIEGEL ONLINE: Herr Bofinger, der Euro-Kurs steigt und steigt und steigt - wie lange noch?
Bofinger: Im Moment ist kein Ende abzusehen. Die Erfahrung zeigt, dass der Dollar unter Druck steht, wenn die Euro-Zinsen höher sind als die Dollar-Zinsen. Mich hat es deshalb eher überrascht, dass der Euro so lange gebraucht hat, die 1,50-Dollar-Marke zu knacken.
SPIEGEL ONLINE: Welche Gefahren bestehen dadurch für Deutschland?
Bofinger: Die deutschen Ausfuhren stagnieren preisbereinigt seit August. Zusammen mit einer deutlicher schwächeren Weltkonjunktur birgt der steigende Euro-Kurs für eine exportorientierte Wirtschaft wie Deutschland also erhebliche Risiken.
SPIEGEL ONLINE: Steigen die Preise, sinken bei Exporten die Renditen - mit diesem Argument will BMW gerade 8100 Jobs streichen.
Bofinger: Und das ist gar nicht so abwegig. Bei einer Aufwertung des Euro von 1,30 auf 1,50 Dollar bleibt von der Rendite nicht mehr viel übrig. Kein Wunder, dass eine neue Kostensenkungswelle auf die deutsche Industrie zuläuft.
SPIEGEL ONLINE: Gibt es auch positive Auswirkungen?
Bofinger: Ja. Die Aufwertung des Euros federt den Anstieg des Ölpreises ab. Das dämpft auch den insgesamt zu starken Preisauftrieb im Euro-Raum.
SPIEGEL ONLINE: Könnte sich die EZB angesichts des Währungshochs dazu durchringen, den Leitzins zu senken?
Bofinger: Im Augenblick sehe ich das nicht kommen. Wenn die derzeit starke Inflation ein wenig runtergeht, wäre es aber schon sinnvoll, mit niedrigeren Zinsen die Euro-Aufwertung zu dämpfen - und so auch für mehr wirtschaftliche Dynamik im Euro-Raum zu sorgen.



SPIEGEL ONLINE: Herr Straubhaar, wie weit steigt der Euro noch?
Straubhaar: Der Euro wird sich noch für längere Zeit in einem Korridor von 1,45 bis 1,55 Dollar bewegen. Generell ist die Dollar-Schwäche beachtlich. Bereits ein Euro-Preis von 1,45 ist historisch gesehen sehr hoch - und auf diesem Wert steht die Währung seit Beginn des Jahres fast durchgängig.
SPIEGEL ONLINE: Warum rechnen Sie mit einer anhaltenden Dollar-Baisse?
Straubhaar: Weil der Leitzins-Spread zwischen den USA und Europa sich in den kommenden Monaten weiter erhöhen dürfte. Schon jetzt liegt der europäische Zinssatz ein Prozent über dem amerikanischen. Die US-Notenbank Fed hat weitere Senkungen nicht ausgeschlossen, von der europäischen Zentralbank wird ein solcher Schritt eher nicht erwartet.
SPIEGEL ONLINE: Steigt der Euro, steigen die Exportpreise. Wie schädlich ist das für Deutschland?
Straubhaar: Es ist für die Exporte sicher nicht förderlich, wenn die Produkte immer teurer werden. Allerdings wird Deutschland durch den wachsenden Handel im Euro-Raum vom US-Wechselkurs immer unabhängiger. Auch der Handel mit arabischen Staaten erfolgt zusehends in Euro: Statt Petro-Dollar gibt es immer öfter Petro-Euro.
SPIEGEL ONLINE: Wann löst dann also der Euro den Dollar als globale Leitwährung ab?
Straubhaar: Ob er das tut, muss sich erst zeigen. Die Tendenz geht aber genau in diese Richtung. Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Euro im Laufe der nächsten Dekade den Dollar als Leitwährung ablöst.




SPIEGEL ONLINE: Herr Dreger, gerade hat der Euro die psychologisch wichtige 1,50-Dollar-Marke durchbrochen. Ist damit das Ende erreicht?
Dreger: Zumindest dürfte der Euro nicht morgen die 1,60-Marke schaffen. Faktoren wie die schwächelnde US-Konjuktur werden zwar weiter Druck auf den Dollar ausüben, sie sind aber im aktuellen Hoch schon eingepreist. Für einen weiteren Währungsschub wäre schon eine größere Überraschung nötig - zum Beispiel, dass die Europäische Zentralbank sich entscheidet, den Leitzins zu erhöhen.
SPIEGEL ONLINE: Ist das denn wahrscheinlich?
Dreger: Es ist eine legitime Option für die Geldpolitik der EZB. Wir haben aktuell eine Inflationsrate von über zwei Prozent. Eine Leitzinserhöhung wäre das stärkste Mittel, die Teuerungsrate abzusenken.
SPIEGEL ONLINE: Die Angst vor einer US-Rezession drückt den Dollar. Warum ist die US-Wirtschaft so in der Bredouille?
Dreger: Die USA haben eine negative Zahlungsbilanz, während Asien Überschüsse anhäuft. Vom Boom in Indien und China profitiert Europa stärker als Amerika. Außerdem ist die US-Energiepolitik verschwenderischer als die der EU - das bremst die Wachstumsdynamik.
SPIEGEL ONLINE: Steigt der Euro, steigen die Exportpreise. Wie schädlich ist das für Deutschland?
Dreger: Man muss die Kirche im Dorf lassen. 75 Prozent des deutschen Außenhandels werden in Euro abgewickelt. Die Euro-Dollar-Schere spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. Zudem exportiert Deutschland hauptsächlich Investitionsgüter, die gegen Preisschwankungen relativ resistent sind. Länder wie Italien oder Frankreich, die hauptsächlich Standardprodukte exportieren, trifft das Euro-Hoch wesentlich stärker.

Die Interviews führte Stefan Schultz

Quelle: Spiegel Online