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Gefährliches Währungschaos


Von Henrik Müller
Der Dollar im Sinkflug, Euro und Yen auf Rekordhöhen. Das globale Konjunkturszenario ist wackelig. Anziehende Inflation in China und anderen Schwellenländern. Steigende Preise auch in den reichen Ländern. Jetzt rächt sich, dass die halbe Welt ihre Wechselkurse manipuliert. Diskutieren Sie mit!

Vor fast anderthalb Jahren schrieb ich einen Report über die globalen Ungleichgewichte. Die Geschichte erschien in Heft 8/06 und ihre Kernbotschaft war: "Der globalen Ökonomie steht der erste ganz große Crashtest bevor." Es gab damals einige harsche Reaktionen. Mir wurde vorgeworfen, ich betreibe finsterste Schwarzmalerei. Weltuntergangsökonomik. Kaffeesatzleserei.
Schön, wenn es so gewesen wäre. Inzwischen hat sich die Realität dem Risikoszenario, das ich im Sommer 2006 ausbreitete, angenähert. Leider.
Es ist eine seltsame Phase, die wir heute erleben. Eine schleichende Liquiditäts- und Bankenkrise mit weiterem Eruptionspotenzial in den nächsten Monaten, wenn nämlich klar wird, welche Werte die Banken tatsächlich noch alle abschreiben müssen.
Einen immer tiefer sackenden Dollar. Anziehende Inflationsraten, vor allem in den Schwellenländern, aber auch in den entwickelten Ländern. Euro, Yen und andere etablierte Währungen auf Rekordhöhen. Und trotzdem wächst die Weltwirtschaft mit ordentlichen Raten. Bislang jedenfalls.
Immer noch, das war der Kernpunkt meiner Geschichte von 2006, gibt es riesige globale Ungleichgewichte – gigantische Defizite vor allem in den USA, gigantische Überschüsse anderswo. Und es ist immer noch nicht klar, wie sich diese Ungleichgewichte entspannen werden. Auch eine Dollar-Krise ist keineswegs ausgeschlossen.
Hier ist mein Kernargument: Dass die Lage so kritisch werden konnte, daran trägt die globale Wechselkursmanipulation erhebliche Mitschuld.
Der Bundesbank-Statistik entnehme ich: Die große Mehrheit der Länder setzt entweder willkürlich Kurse fest (China, die Golfstaaten et cetera), oder sie beeinflusst die Devisenkurse regelmäßig und erheblich (Indien, Russland und so weiter.).
Nur eine kleine Minderheit von 30 Ländern überlässt die Bildung der Wechselkurse dem Markt. Dazu gehören, zugegeben, die wichtigsten Währungen der am weitesten entwickelten Länder: USA, Euro-Europa, Japan, Großbritannien, Schweiz, Schweden et cetera. Nur hier können alle verfügbaren Informationen in die Kurse eingehen, nur hier können sich Kurse allmählich an neue ökonomische Konstellationen anpassen.
Warum manipulieren die Schwellenländer ihre Wechselkurse? Zum einen weil sie große Schwankungen auf relativ illiquiden Devisenmärkten vermeiden wollen (ein vernünftiges Argument). Zum anderen und vor allem weil sie ihr Wirtschaftswachstum durch billige Exporte stützen wollen (ein gefährliches Argument).
Wo ist das Problem? Länder wie China, die Golfstaaten und Russland sind inzwischen so bedeutend, dass ihre unterbewerteten Währungen das ganze globale Preisgefüge durcheinandergebracht haben. Mit gravierenden Folgen – bis hin zur US-Subprime-Krise.
Übertrieben? Niedrige Wechselkurse in den Schwellenländern haben die Importe für die reichen Länder über die Maßen verbilligt (also um noch mehr als es die hohen Produktivitätszuwächse in Ländern wie China ermöglicht hätten). So kommt es zu einer Art zurückgestauter Inflation.
Die Konsumentenpreise sind über lange Zeit kaum gestiegen. Die Zinsen blieben niedrig. Die Notenbanken ließen den Fuß auf dem Gas. Überschüssige Liquidität floss in Anlageformen aller Art, zuvörderst in Immobilien. Am Ende kam sogar etwas von der Geldflut bei amerikanischen Geringverdienern an, die sich nun zu – angeblich – günstigen Konditionen ein Eigenheim leisten konnten. Und die es nun womöglich verlieren werden.
Sicher, noch andere Faktoren hatten auf diese Entwicklung Einfluss – das Gebaren von Banken, Ratingagenturen, Aufsichtsbehörden, Gesetzgebern … Aber die ganze Wucht der Globalisierung wurde erst durch die globale Währungsmanipulation möglich.
Nun allerdings geht dieses Spiel zu Ende. Und dafür sind vor allem drei Faktoren verantwortlich:
Erstens führen unterbewertete Währungen zu Überhitzungserscheinungen in den Schwellenländern. Das übermäßig starke exportgetriebene Wachstum lässt die Preise steigen. China, vor einigen Jahren noch Deflationsland, hat jetzt eine Inflationsrate von 6,5 Prozent. Anderswo, zumal bei den Rohstoffexporteuren, sind die Preissteigerungen noch höher. Dem muss die dortige Geld- und die Währungspolitik Einhalt gebieten. Besser früher als später.
Zweitens: Da die allermeisten manipulierten Währungen mehr oder weniger direkt an den Dollar gebunden sind, verlieren sie derzeit mit dem fallenden Greenback rapide an Wert. Das heißt: Die Terms of Trade der Überschussländer sinken – sie verkaufen sich auf dem Weltmarkt zu billig.
Drittens: Bei ihren Dollar-Währungsreserven, die sie durch ihre fortlaufenden Interventionen am Devisenmarkt immer weiter aufstocken, entsteht ein immer größerer Abschreibungsbedarf – sie vernichten Volksvermögen. Je länger sie an den bisherigen Kursen festhalten, desto mehr.
Die drei Faktoren – Inflation, Terms of Trade, Wertberichtigungen – sprechen dafür, dass das Szenario, das den globalen Boom der vergangenen Jahre mit befeuert hat, zu Ende geht. Neue Wechselkursrelationen bilden sich heraus.
Die Zinsen steigen tendenziell, insbesondere in den Schwellenländern, aber auch in den USA, jedenfalls sofern der Dollar-Verfall so weitergeht. Steigende Zinsen im Abschwung – die Banken- und Liquiditätskrise könnte sich dadurch in die Länge ziehen. Die Volkswirtschaften der Welt stecken mitten in einer großen Neubewertung durch die Devisenmärkte und die währungspolitischen Behörden.
Am Ende dieser reichlich chaotischen Phase werden wir hoffentlich einen besseren, einen unverzerrten Blick auf die realen ökonomischen Verhältnisse werfen können – und besser gewappnet sein für den nächsten Crashtest.