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Dollarschwäche
Heißt die neue Leitwährung bald Euro?
Von Catherine Hoffmann
05. November 2007

Alle zehn Jahre ist die Diskussion fällig. Dann fragen sich Ökonomen, ob der Dollar seine Rolle als mächtigste Reservewährung der Welt verteidigen kann oder ob ein Sturz vom Thron nicht unvermeidbar ist. Die Zweifel werden immer dann besonders groß, wenn der Dollar kräftig an Wert verliert - so wie in den vergangenen Tagen und Jahren.
Der Ausbruch der Finanzkrise im Sommer hat die Abwertung noch beschleunigt. Die amerikanische Währung ist heute so schwach wie zu den stärksten D-Mark-Zeiten. In der abgelaufenen Woche überwand der Euro erstmals in seiner Geschichte die Marke von 1,45 Dollar und erreichte damit beinahe sein Allzeithoch. Gold, Öl und andere Rohstoffe notieren ebenfalls auf Rekordniveau. "Die Dollarschwäche hat fast schon krisenhafte Züge angenommen", sagt Eugen Keller, Devisenstratege des Bankhauses Metzler.
Jüngste Fluchtwelle geht auf Bernankes Konto
Ben Bernanke, Chef der amerikanischen Notenbank Fed, hat die jüngste Fluchtwelle aus dem Dollar ausgelöst. Die Fed hat am Mittwochabend die Geldpolitik weiter gelockert und die Leitzinsen um einen Viertelprozentpunkt auf 4,50 Prozent gesenkt. Der Zinsschritt wurde mit den schwächeren Wachstumsaussichten in den Vereinigten Staaten begründet, eine Folge der Krise am Immobilienmarkt.
Das schwache Wachstum in Amerika, der schrumpfende Zinsvorsprung und die schwelende Kreditkrise lasten auf dem Dollar. Hinzu kommen die Defizite in Handels- und Leistungsbilanz, die schon seit langem bedrohliche Ausmaße annehmen. Ein solches Defizit bedeutet nichts anderes, als dass ein Land mehr konsumiert, als es produziert. Um den Konsum auf Pump zu finanzieren, braucht es sehr viel Kapital aus dem Ausland.
"Bis vor kurzem haben Europäer und Asiaten bereitwillig amerikanische Anleihen gekauft, doch der Kapitalzufluss versiegt zunehmend", sagt Thomas Stolper, Währungsexperte bei Goldman Sachs in London. Das Vertrauen der internationalen Anleger in die amerikanische Wirtschaft ist erschüttert. Und mit den niedrigen Zinsen verlieren Geldanlagen in Amerika weiter an Reiz. Es ist einfach keine gute Investition, wenn etwa die Chinesen eine Billion Dollar in amerikanische Staatsanleihen stecken. Nach Abzug von Inflation und Wechselkursverlusten blieb zuletzt ein Minus. Klar, dass China raus aus dem Dollar möchte, auch wenn das nur in Trippelschritten geht.
Notenbanken schichten ihre Devisenreserven um
Im August haben die Chinesen, bislang treue Finanziers der Vereinigten Staaten, amerikanische Staatsanleihen im Wert von 14 Milliarden Dollar verkauft. Das Ausmaß der Verkäufe ist neu. Es wirft ein Schlaglicht auf einen Trend, der seit Jahren ungebrochen ist: Die großen Notenbanken der Welt schichten ihre Devisenreserven um. Sie verkaufen Dollar und kaufen Euro. Denn der Euro-Raum ist ökonomisch so bedeutend wie Amerika. Und er besitzt heute tiefe und liquide Finanzmärkte. Viele Notenbanken haben in den vergangenen Jahren ihre Dollarquote zurückgeschraubt von nahezu 100 Prozent auf rund 70 Prozent. Der Euro macht heute gut ein Viertel der internationalen Devisenreserven aus.
Kleinere Notenbanken, die mutiger sind als China, haben dem Dollar viel entschlossener den Rücken gekehrt. Qatar zum Beispiel senkte jüngst seinen Dollaranteil auf 40 Prozent. Auch die russische Zentralbank setzt beim Aufbau seiner Devisenreserven verstärkt auf den Euro. Die Beispiele könnten Schule machen. In eine ähnliche Richtung - weg vom Dollar - gehen auch die Anlageentscheidungen der milliardenschweren Staatsfonds aus Asien und der Golfregion.
Entscheidender noch als die Zentralbanken und Staatsfonds sind allerdings die amerikanischen Privatanleger, deren Vermögen um ein Vielfaches größer ist. Die Globalisierung lenkt das Interesse der Amerikaner auf die aufstrebenden Emerging Markets - und auf die haussierenden Aktienmärkte Europas, die obendrein noch Wechselkursgewinne versprechen. Binnen zehn Jahren haben die Amerikaner den Anteil ihrer Investments im Ausland auf 20 Prozent verdoppelt und dabei im großen Stil Dollar verkauft.
Der Dollar ist angezählt
All das macht klar: Der Dollar ist angezählt. Allerdings gab es solche kritischen Phasen in den vergangenen 30 Jahren schon mehrfach. Immer wieder hat sich der Greenback berappelt, meist nach Interventionen der Notenbanken. Davon ist derzeit zwar nur hinter vorgehaltener Hand die Rede. Je schneller sich die Kursbewegung Richtung 1,50 fortsetzt, desto wahrscheinlicher werden aber Interventionen. "Zur Kapitalflucht aus dem Dollar kommt es erst, wenn sich die amerikanische Konjunktur kräftig abschwächt", glaubt Stolper. Bislang schlägt sich die Wirtschaft - trotz der Krise am Immobilienmarkt - jedoch erstaunlich wacker. Weder Arbeitsmarktdaten noch Konsumklima sprechen für eine Rezession. Im dritten Quartal ist die amerikanische Wirtschaft sogar überraschend stark gewachsen.
Doch die Skepsis bleibt, ob das nicht eine letzte Blüte vor Einbruch des Winters ist. Jeder weiß: Langfristig ist eine Währung nur so stark wie die ihr zugrundeliegende Wirtschaft. Konsum ohne Produktion, Import ohne Export, Wachstum auf Pump können auf Dauer keinen Bestand haben, warnen Amerika-Skeptiker. Sie könnten die Leitwährung zu Fall bringen.
Kein krachender Sturz, sondern jahrelanges Bröseln
Es geht aber weniger um einen krachenden Sturz vom Sockel als um ein jahrelanges Bröseln. Das zeigt das jüngste Beispiel der Geschichte, der Wechsel der internationalen Reservewährung vom britischen Pfund zum Dollar. Zu Zeiten des Goldstandards war der Sterling bevorzugte Währung für internationale Geschäfte. Doch in den Jahren nach 1914 wandelte sich Großbritannien vom Gläubiger zum Schuldner. Das Vertrauen in das Pfund schwand. In den zwanziger Jahren löste der Dollar das Pfund schließlich als international führende Währung ab. Jetzt wird er selbst in Frage gestellt.
Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 04.11.2007, Nr. 44 / Seite 49
Bildmaterial: AP, FAZ.NET