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Den Tiger beim Schwanz gepackt

Als erstes ein paar Anmerkungen zum Artikel von letzter Woche bezüglich der Leerverkäufe von SLV-Anteilen. Ich wusste, dass es eine kontroverse Angelegenheit wird und die Reaktionen haben mich nicht überrascht. Viele von Ihnen haben die Antworten, die Sie von Barclays erhielten, an mich weitergeschickt.

Deren Antwort war genau dieselbe, die sie schon vor Erscheinen des Artikels gegeben haben. Barclays meinte, dass die Leerverkäufe im SLV normal seien und diese die Angelegenheit schon zuvor behandelt wurde. Sie sagten auch, die Leerverkäufe der SLV-Anteile würden die Menge des sich im Trust befindlichen Silbers nicht verringern, da diese Leerverkäufe von Parteien außerhalb des Trusts stammen.

Barclay ist in einer schwierigen Situation. Damals, als sie richtig reagierten und auf meinen Vorschlag hin die Seriennummer der im Trust lagernden Silberbarren veröffentlichten, war dies auch relativ leicht zu bewerkstelligen. Beim Umgang mit dem Problem der Leerverkäufe am SLV gibt es größere Schwierigkeiten. Deswegen haben sie meiner Meinung nach auch auf rechtliche Hinweise zurückgegriffen, die irreführend sind. Sie haben eben nicht gesagt: "Danke, dass Sie dieses ernste Problem ansprechen, daran haben wir bisher noch nicht gedacht."

Keiner, auch ich nicht, hat das Problem der Leerverkäufe am SLV (oder in den Gold-ETFs) genauer unter die Lupe genommen, als diese Wertpapiere zum ersten Mal gehandelt wurden. Die GLD-Anteile werden seit 2004 gehandelt. Der Handel mit SLV-Anteilen begann im April 2006, nach einer ungewöhnlichen, von der SEC anberaumten Periode der Öffentlichen Stellungnahme, zu der Frage, ob diese Anteile für den Handel zugelassen werden sollten. Das Problem Leerverkäufe ist nie aufgetaucht. Ich schrieb den ersten Artikel, der diese Angelegenheit überhaupt erst anschnitt.

Tatsache ist ganz einfach, dass jeder Leerverkauf von Stammaktien - ob nun diese Aktien zuvor geliehen wurden oder ohne vorheriges Leihen (nackt) verkauft wurden - zwangsläufig die existierende Menge an Aktien erhöht. Damit Anteile überhaupt leerverkauft werden können, muss es immer einen Käufer für diese Anteile geben. Dadurch entstehen mehr Aktien. Der Käufer kann gar nicht wissen, ob der Anteil, der ihm verkauft wurde, von jemandem stammt, dem diese Aktien gehörten (der Verkauf einer Long-Position) oder ob der Verkäufer ein Leerverkäufer gewesen ist.

Ganz genau genommen gibt der Leerverkäufer somit neue (Phantom)-Anteile aus, ganz gleich, welche Art von Anteilen er verkauft. Die Firma, deren Aktien leerverkauft wurden, kann nicht für die eigentliche Herausgabe ihrer Aktien durch den Short-Verkäufer verantwortlich gemacht werden. Wenn zum Beispiel eine Dividende für diese Aktien ausgezahlt werden soll, dann obliegt es nicht der Firma, die Dividende für die leerverkauften Aktien zu zahlen, dazu ist der Leerverkäufer verpflichtet. In diesem Sinn hat Barclays Recht, wenn sie sagen, dass diese Leerverkäufe von SLV-Anteilen außerhalb des Einflussbereichs der Firma gemacht wurden und daher auch nicht in den Verantwortungsbereich von Barclays fallen.

Aber ich möchte darauf hinaus, dass alle Käufer von SLV-Anteilen im festen Glauben sind, dass hinter jedem Anteil 10 Unzen Silber stecken und dass Barclays nichts getan hat, um irgendjemanden von dieser Meinung abzubringen. Der Grund, warum die SLV-Aktien so populär geworden sind, ist eben genau dieser Glauben. Doch Leerverkäufe von SLV-Anteilen zerstören diesen Glauben. Barclays weisen in ihrer Antwort darauf hin, dass diese Leerverkäufe separat vom Trust gemacht wurden und die Short-Verkäufer für diese leerverkauften Anteile verantwortlich sind. Das ist eine schlaue (und trügerische) Art zuzugeben, dass nicht 10 Unzen Silber hinter jedem Anteil stecken, da die Leerverkäufer für das Silber hinter den leerverkauften Anteilen verantwortlich sind - nicht Barclays oder der Trust. Seien wir realistisch: Hätte ich irgendetwas komplett Dahergeholtes und Falsches gesagt, würde Barclays meine Anschuldigungen einfach abschmettern und keine vagen und am Thema vorbeigehenden Dementis abgeben.

Lassen Sie es mich kurz machen. Die Käufer am SLV zahlen für ihre Anteile und erwarten dafür, dass 10 Unzen Silber existieren - hinter jedem Anteil, der ihnen gehört, so wie es im Prospekt steht. Die Käufer gehen davon aus, dass das Geld zum Kauf von Silber für den ETF genutzt wird. Wenn Barclays neue Anteile für Käufer herausgibt, dann passiert genau das. Aber die Leerverkäufer müssen keine 10 Unzen Silber für jeden Anteil hinterlegen, den sie leerverlaufen - so wie es Barclays aber machen würde, hätten sie diese Anteile herausgegeben. Daher gilt: Solange es noch offene Leerverkäufe bei SLV-Anteilen gibt, solange sind diese leerverkauften Anteile auch nicht durch hinterlegtes Silber gedeckt - alles, was es gibt, ist eine Art Verpflichtung eines unbekannten Leerverkäufers.

Schon letzte Woche habe ich darauf hingewiesen: Meiner Meinung nach sollte es keinem erlaubt sein, Anteile am SLV (oder GLD oder IAU) short zu halten, weil diese Form von Wertpapieren so außergewöhnlich ist. Und das liegt an der rigiden Metallpolitik, wie sie im Prospekt niedergeschrieben steht; ein leerverkaufter Anteil ist einer zuviel, weil das zur Deckung benötigte Metall fehlt. Wenn jemand Silber leerverkaufen möchte, dann gibt es andere Orte um dies zu tun, so zum Beispiel die COMEX. Es ist nicht notwendig, SLV-Anteile leerzuverkaufen, um beim Silber short zu gehen. Wir aber wissen, dass es bei diesen Anteilen zu Short-Verkäufen kommt.

Dann stellt sich also die Frage, wie viele Anteile leerverkauft wurden - und eben auch warum, da es doch andere Mittel und Wege gibt, short zu gehen. Handelt es sich hierbei nur um die von der American Stock Exchange aufgelistete Menge (367.000 Anteile oder 3,67 Millionen Unzen nach Stand vom 10.6.08) oder geht es hier - aufgrund der nicht gemeldeten, nackten Leerverkäufe - um viel mehr, sagen wir 25 Millionen bis 50 Millionen Unzen, wie ich behaupte? Ich habe schon zuvor erläutert, wie ich auf diese Menge komme: Durch das Beobachten der Handelsbewegungen im SLV. Vom 15. April an habe ich hier eine Veränderung der Handelsmuster bezüglich Volumen und gelagertem Metall festgestellt. Auch wenn das eine riesige Menge leerverkauftes Silber zu sein scheint, in ganz bestimmter Hinsicht ist das keinesfalls eine so riesige Menge. Alles ist relativ.

Wenn ich mit den 25 Millionen bis 50 Millionen (via SLV-Anteile) leerverkauften Unzen richtig liege, dann entspricht das nur 10% bis 15% der 325 Millionen Unzen, die von den 8 größten Händlern an der COMEX leerverkauft sind. Diese 325 Millionen Unzen, oder 180 Tage der Weltproduktion, können problemlos im aktuellen Commitment of Traders Report (COT) nachgeprüft werden. Tatsächlich liegt die derzeit von den acht größten Händlern leerverkaufte Menge um 75 Millionen Unzen niedriger, verglichen mit den 400 Millionen Unzen, die am 11. März leerverkauft waren. Man kann auch sagen, dass allein die offiziell angegebenen Veränderung der Netto-Short-Position der großen Händler sage und schreibe 3-mal größer ist, als die von mir vermutete Menge, die am SLV leerverkauft wurde. Man kann also schon davon ausgehen, dass ich bei der am SLV leerverkauften Menge nicht zu viel veranschlage.

Das bringt uns zu der Frage, warum es überhaupt Leerverkäufe von SLV-Anteilen gibt, bedenkt man, dass es ohnehin schon eine Alternative für Leerverkäufe gibt. Für mich ist die Antwort klar. Zu solchen Short-Verkäufen kommt es, weil das Silber, das man bräuchte, um neue Käufer nach den geltenden Bestimmungen aufzunehmen, nicht zum Kauf erhältlich ist. Zumindest nicht zu den derzeitigen Preisen. Anstatt den Preis notwendigerweise soweit steigen zu lassen, dass wieder Silber am Markt zum Verkauf steht, ist es für bestimmte Händler vorteilhafter, die SLV-Anteile bloß leer und nackt zu verkaufen. Ohne wenn und aber - das Geld der Käufer wird einfach genommen, Gedanken kann man sich später darüber machen.

Aber warum sollte sich ein großer Händler - höchstwahrscheinlich ein autorisierter Marktteilnehmer (AP) - bei neuen SLV-Kunden die Mühe machen, Silberbestände zu bestimmten Preisen zu finden, diese aufzukaufen und sie im Trust hinterlegen? Schließlich scheint das nichts anderes zu sein als eine Form von Arbitrage, bei der der AP gleichzeitig physisches Silber kauft und es in den SLV weiterverkauft. Bei einer solchen Arbitrage ginge es gar nicht darum, ob der Silberpreis stiege, da es den AP ausschließlich um die Differenz zwischen der Summe ginge, die er für den Kauf des physischen Silbers bezahlt hat und der Summe, die er den neuen Käufern von SLV-Anteilen in Rechnung stellt. Wenn da nicht noch andere Sachen hineinspielen…

Ich glaube, dass sich die großen COMEX-Shorts unter den APs befinden, die sich um die Arbitrage-Geschäfte zwischen eingelagertem Metall und den neu ausgegeben SLV-Anteilen kümmern. Das ist keine große Enthüllung, da diese Händler am obersten Ende der Nahrungskette bei Thema Silber stehen: physisches Silber, Futures und SLV-Anteile. Die extrem große, dokumentierte und konzentrierte Netto-Short-Position bei den COMEX-Silber-Futures hält die klare Antwort auf die Frage bereit, ob es bei der Ausgabe von SLV-Anteilen um mehr geht, als nur um eine einfache Arbitrage-Angelegenheit, bei der ja auch physisches Silber gekauft werden könnte, ganz gleich, wie hoch die Preise dafür lägen. Gewisse APs, die Arbitrage zwischen dem Einkauf von physischem Silber und der Ausgabe von SLV-Anteilen betreiben, gehören zu den Haltern der dokumentierten, konzentrierten Short-Position an der COMEX. Trieben sie selbst die Preise für SLV-Silber in die Höhe, würden sie ebenfalls einen Preisauftrieb an der COMEX verursachen - was dort mit großen Verlusten bei ihren Short-Positionen einhergehen würde. Es ist viel bequemer, die SLV-Anteile leerzuverkaufen und den Silberpreis im Zaum zu halten. Diese großen Shorts schützen ihre Short-Position an der COMEX, indem sie SLV-Anteile nackt leerverkaufen. Das ist Selbsterhaltung, die mächtigste Motivation dieser Welt. Und es ist zudem höllisch illegal.

Ich gehe ebenfalls davon aus, dass diese COMEX-Händler den SLV jetzt auch benutzen, um ihre wahre Short-Position zu verheimlichen. Immerhin kann man dem COT nachprüfbare Kontraktmengen und Konzentrationsangaben entnehmen, wohingegen die nackten und nirgendwo verzeichneten Leerverkäufe am SLV nicht dokumentiert werden können. Entgegen allen Absichten, die moderne Finanzregulierungsbehörden an den Tag legen sollten, gleitet das, was einmal so klar und transparent war, in's Trübe ab.

Der Kracher ist aber, dass ich in all den Jahren, in denen ich die Manipulation anklage, immer wieder von der CFTC und anderen Aufsichtsbehörden mit dem Argument zurückgewiesen wurde, dass jeder doch schließlich Silber kaufen könnte, wenn er glaubt, es sei unterbewertet. Hier aber haben wir einen Fall, wo die SLV-Käufer dahingehend auch wirklich Nägel mit Köpfen machen, aber über's Ohr gehauen werden, da sie leere Versprechungen bekommen und nicht das, wofür sie bezahlt haben. Schändlich.

Um ganz deutlich zu sagen, was ich denke: Wie ich schon letzte Woche dargelegt habe, sollten Sie keine SLV-Anteile kaufen, wegen all den Dingen, die in meinem Artikel standen. Wenn Sie zu anderen Silberformen wechseln können, so kann ich das von meiner Seite aus nur empfehlen. Jemand, der in einer Größenordnung von einigen Tausend oder Zehntausend Dollar investieren kann, sollte zum Beispiel lieber 100 bis 500 Silver Eagles kaufen, anstatt 10 bis 50 SLV-Anteile. Investoren, die in viel größere Mengen investieren wollen, sind gut beraten, über Lagerprogramme nachzudenken, bei denen das Silber für sie ganz persönlich (unter Angabe der Seriennummer) gelagert wird, so wie bei COMEX-Lagerbescheinigungen oder bei anderen verbrieften und versicherten Lagerbescheinigungen. Super-große SLV-Investoren (diejenigen, bei den es um Größenordnungen von 500.000 Unzen geht) sollten sich ihre Anteile einfach in ein direktes Lagerprogramm ausliefern lassen. Aber wenn Sie nicht in andere Silberformen investieren können, dann halten Sie die SLV-Anteile. Und kaufen Sie mehr davon. Aber sagen Sie Barclay immer wieder, wie sie darüber denken, bis sie mit den Leerverkäufen aufräumen. Und ich glaube dazu sind sie auch verpflichtet. Bis jetzt haben sie dahingehend noch nichts ausgereizt.

Ob Sie es glauben oder nicht, ich versuche diese Artikel kurz und knapp zu halten. Das ist allerdings problematisch, weil es immer neue Gebiete gibt, über die man schreiben muss und diese Angelegenheiten können kompliziert sein. Haben Sie bitte ein wenig Geduld mit mir. Zudem gibt es im Silbermarkt, wie auch in jedem anderen Markt, Vorkommnisse und Einflüsse, die gleichzeitig auf verschiedenen Ebenen stattfinden. Denken Sie an einen Zirkus, in dem gleichzeitig 10 oder 20 Manegen besetzt sind - viel komplexer als der Drei-Manegen-Zirkus der Ringling Bros., in dem die Hochseilartisten, die Clowns und die Elefantenparade gleichzeitig ihre Auftritte hatten. Mit dem Zirkus hat auch der Silbermarkt etwas gemein - es geht nicht nur um einfache Unterhaltung.

Als ich diesen Artikel vorbereitete, ergaben sich zwei neue Sachen. Die erste war ein plötzlicher, heftiger Einbruch der Silber- und Goldpreise am Montag. Auch wenn ich mich schon langsam an diese immer wiederkehrenden, heftigen Sell-Offs gewöhnt habe, so war dieser doch etwas Besonderes. Ich glaube, noch nie einen solch heftigen Einbruch (Silber um 75 Cent, Gold um 25 Dollar) in einem so kurzen Zeitraum (15 Minuten) und ohne offensichtliche Erklärung gesehen zu haben. Der wahre Grund? Wir haben dieselben gleitenden Durchschnitte unterschritten, die wir einige Tag zuvor überschritten hatten. Die Händler haben es Ende letzter Woche zugelassen, dass eine ausreichende Anzahl Techfonds und andere auf Margin handelnde Spekulanten COMEX-Futures-Kontrakte kauften. Anschließend haben sie den Preis nach unten manipuliert, indem sie sich kollektiv und unter Absprache mit ihren Geboten bis zum freien Fall am Montag zurückhielten. Die Akkumulation und die darauffolgende Liquidation durch Techfonds/ Long-Positionen und Händler/ Short-Positionen fanden in so kurzer Zeit statt, dass sie möglicherweise nicht einmal in den COT der nächsten Woche eingehen wird, weil sich alles noch innerhalb der Berichtswoche ereignete. Die gute Nachricht ist, dass diese Liquidation spekulativer Long-Positionen, die in der letzten Woche erworben wurden, abgeschlossen scheint. Jede weitere Liquidation müsste dann von älteren Long-Positionen kommen, was aber noch abzuwarten bleibt.

Die zweite Entwicklung hat mit Veränderungen bei den Gold- und Silberbeständen im SLV und GLD zu tun. Mit einer Abweichung von seit sechs Monaten bestehenden Mustern gingen die SLV-Bestände in den letzten Tagen um 3 Millionen Unzen zurück und liegen bei einem immer noch hohen Stand von 192 Millionen Unzen (ein Plus von 42 Millionen Unzen seit ca. Ende Dezember). Beim Gold legte der GLD deutlich an Beständen zu, mit einer ganzer 1 Million Unzen während der letzten 8 Geschäftstage, womit die Bestände jetzt wieder dort stehen, wo sie Ende des letzten Jahres standen. Die wichtige Frage ist jetzt allerdings nicht, warum der GLD zulegen konnte (in Anbetracht der relativen Attraktivität von alternativen Anlageklassen), sondern warum es zu dieser Zeit im SLV überhaupt zu Rückgängen, wenn auch geringen, gekommen ist.

Lassen Sie mich zuerst die sich automatisch aufdrängende Erklärung, warum es zu einem geringfügigen Rückgang bei den SLV-Beständen gekommen ist, aus dem Weg räumen, die da wäre, dass Investoren Anteile verkauften und Bestände liquidierten. Die Bewegung im Handel, in Anbetracht der normalen Verspätungen bei den Metallbewegungen, hätten eigentlich auf ein Ansteigen der Bestände hindeuten müssen - in Hinblick auf die Erholung der Silberpreise während der letzten Woche. (Der Einbruch vom Montag hätte gar nicht so schnell Wirkung zeigen können.) Das lässt zwei alternative Erklärungen zu. Entweder haben sich die Investoren meinen Ratschlag zu Herzen genommen und haben zu direkter Lagerhaltung gewechselt, oder - was auch wahrscheinlicher ist - Silber wurde aus dem ETF entnommen, weil es für industrielle Anwendungen benötigt wurde oder um damit die COMEX zu beliefern, wo die große Juli-Lieferung ansteht.

Auch wenn kaum in diese Richtung gedacht wird, so stellen die riesigen Bestände des SLV (er ist mit Abstand der größte konzentrierte Silberbestand der Welt) eine einfache Quelle für vorrätiges Silber dar, dass zu industriellen oder anderen Zwecken verfügbar ist. Da die Bestände im SLV von einem Moment auf den anderen aufgelöst und entnommen werden können (jedoch nur über einen AP und in einer Größenordnung von 500.000 Unzen), sind sie die ideale Quelle für physisches Silber in großen Mengen. Das sollte man also auch im Hinterkopf behalten, wenn man verblüffende Verringerungen bei den SLV-Beständen beobachtet - und dies ist wahrscheinlich mehr bullisch als bärisch. Wie Stammleser sich vielleicht erinnern werden, habe ich schon zuvor über das Thema geschrieben.

Der Punkt ist, dass die Silber-Manager die Bestände des SLV möglicherweise als Werkzeug zum Ausgleich und zum Mikro-Management der Silberflüsse auf der ganzen Welt nutzen. In gewisser Hinsicht ist daran auch nichts verwerflich, da rechtmäßig erworbenes Eigentum auch Bewegungsfreiheit besitzen sollte. Aber aus viel größerer Perspektive betrachtet, könnte dort einiges im Argen liegen. Falls das Mikro-Management der Stärkung und dem Schutz der großangelegten Silberpreismanipulation dient, dann geht es gar nicht illegaler. Aber genau das ist der Fall, denke ich.

Meine heutige Botschaft betrifft jenen Faktor, von dem ich glaube, dass er der wichtigste für den Silberpreis ist. Bei diesem Faktor handelt es sich um die konzentrierte Short-Position, die unglaublich groß ist und von so wenigen Akteuren gehalten wird. Jetzt gibt es Grund zur Annahme, dass die Manipulation der konzentrierten Shorts auch den SLV infiziert hat - was die nackten Leerverkäufe der Anteile betrifft und auch die Metallbestände, die zum Lückenfüllen genutzt werden, wo immer Silber gebraucht werden könnte - so, als würde ein Junge Löcher in einem kleinen Deich stopfen.

Die Short-Position erklärt alles, was man beim Silber verstehen muss. Sie erklärt, warum Silber vor über zwei Jahrzehnen seinen bestimmten Preis hatte und auch warum es heute seinen Preis hat. Die Short-Position erklärt, warum wir Preiserholungen und plötzliche Preiseinbrüche durchmachen mussten und warum Silber, verglichen mit jedem anderen Rohstoff, so unterbewertet ist. Vor allem erklärt die ungewöhnliche Short-Position, warum Silber heutzutage die beste Investitionsanlage ist und warum sein Preis haushoch ansteigen wird.

Die Silber-Short-Position ist einzigartig in nahezu jeder Hinsicht. Sie ist unsäglich konzentriert - was den prozentualen Anteil am Gesamtmarkt angeht und auch, wenn man sie vergleichsweise in Tagen der Weltproduktion rechnet. Der COMEX-Silbermarkt ist der einzige Markt, an dem die Commercials noch nie netto-long gewesen sind - immer nur netto-short. Silber ist fast buchstäblich der einzige Markt, an dem die gesamte Short-Position größer ist als das äquivalente Material, das auf der ganzen Welt existiert. Silber hat die einzige Short-Position, wegen der die Aufsichtsbehörden regelmäßig um Korrekturen ersucht werden. Zur ihrer großen Schande haben sie sich nie dem kollektiven Willen und der Weisheit der investierenden Öffentlichkeit fügen wollen.

In Anbetracht der sich mehrenden Hinweise und Zeichen auf eine Silberknappheit, braucht man nur ein einzige Frage zu stellen: Warum sollten sich große institutionelle Investoren in solch große Gefahr begeben und mit riesigen Mengen Silber-Futures und SLV-Anteilen short sein? Ganz besonders in einer Welt, in der es bei so fast jedem Rohstoff zu Angebotsspannungen kommt. Die Antwort findet man, glaube ich, im der orientalischen Geschichte vom Tiger - oder genauer gesagt, der Geschichte mit dem Tigerschwanz. In einem alten chinesischen Sprichwort heißt es, wenn du auf dem Rücken des Tigers reitest oder den Tiger beim Schwanz hältst, steige nicht ab oder lass nicht los, denn dann wirst du gefressen.

Ich denke, dass ist genau die Situation, in der sich die großen konzentrierten Silber-Shorts befinden. Anfänglich, vor Jahren, hatten sie die komplette Kontrolle über den Silbermarkt. Vielen scheint es, als hätten sie immer noch die Kontrolle. Aber der Tiger ist in diesem Fall der Silbermarkt, zu dem auch die Verbraucher in der Industrie und die Investoren gehören. Da das wahre Silberangebot geschrumpft ist und die Lagerbestände gehütet werden, ist das, was damals ohne weiteres zu kontrollieren war, heute zu etwas Großem und Hungrigem ausgewachsen, das den Shorts nun gefährlich ist. Eine Knappheit wird deren Schwäche an den Tag bringen. Das ist unvermeidlich. Einmal ausrutschen und sie werden gefressen. Das liegt daran, dass ihre Manöver und Tricks für eine wachsende Menge von Investoren immer durchschaubarer werden. Und Tricks wirken nicht lange bei einer echten Knappheit. Der Tiger wird deutlich höhere Preise fordern.


© Theodore Butler

(Diese Abhandlung wurde vom Silberanalysten Theodore Butler, einem unabhängigen Berater, verfasst. Investment Rarities teilt seine Ansichten nicht notwendigerweise, diese können sich als richtig oder falsch herausstellen.) Exklusiv übersetzt für GoldSeiten.de. Das Original wurde am 24.06.2008 auf der Website www.investmentrarities.com veröffentlicht.