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Versilbert den Goldschatz!

Von Christian Reiermann
3417 Tonnen Gold lagern in den Tresoren der Bundesbank - mit Ausnahme der USA hat kein Land solch gigantische Reserven. Finanzminister Steinbrück lässt darüber nachdenken, den Schatz zu Geld zu machen - ein Anliegen, das schon mehrmals scheiterte. Doch noch nie gab es so gute Gründe dafür.

Hinterher wollte es wieder keiner gewesen sein. Niemand habe die Absicht, der Bundesbank ihren Goldschatz wegzunehmen, ließ das Finanzministerium verlauten. Allen Dementis und Abwiegeleien zum Trotz, eines steht fest: Eine Runde von Experten der Koalition diskutierte Mitte März im Beisein von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) darüber, das Gold der Bundesbank zu verkaufen. Dahinter stand die Idee, die Milliarden, die barrenweise in Tresoren in Frankfurt, New York oder bei anderen Zentralbanken lagern, für den Bundeshaushalt nutzbar zu machen.

Die anwesenden Unionsvertreter witterten ein Attentat auf die Unabhängigkeit der Bundesbank, gleichsam einen dreisten Griff ins Allerheiligste der Frankfurter Institution. Reflexartig lehnten sie das Ansinnen des Koalitionspartners ab. Außerdem, und da stimmten ihnen die Kollegen von der SPD zu, seien bisher sowieso alle Versuche in diese Richtung am Widerstand der Bundesbank gescheitert.
Da ist etwas dran. Immer wieder versuchten Finanzminister aller Couleur, die 3417 Tonnen Edelmetall zu Geld zu machen. Doch jedes Mal verstanden es die Zentralbanker geschickt, den Griff in ihre Schatzkammern abzuwehren - nicht zuletzt, indem sie die öffentliche Meinung auf ihre Seite zogen. Am spektakulärsten ließen die Bundesbanker vor elf Jahren den damaligen Finanzminister Theo Waigel auflaufen. Waigel wollte mit dem frischen Geld Haushaltslöcher schließen, um den Beitritt Deutschlands zur Europäischen Währungsunion zu sichern. Die Bundesbank wehrte sich erfolgreich. Das Ziel erreichte Waigel schließlich auch ohne das Frankfurter Gold, doch von der Abfuhr erholte er sich nie wieder.

All das haben Gegner eines Goldverkaufs in Erinnerung. Aus Angst vor neuen Niederlagen haben sie sich ein Denkverbot verordnet. Das ist stets dumm, in diesem Fall aber fahrlässig. Denn derzeit gibt es gute Gründe, einen neuen Anlauf zu unternehmen. Zunächst spricht der Goldpreis für das Vorhaben. Er pendelt auf historischem Rekordniveau. Rund 65 Milliarden Euro würde der Schatz bringen, nie war er so wertvoll wie in diesen Tagen.
Wann, wenn nicht jetzt?
Auch wichtige Gegenargumente haben an Bedeutung verloren. Die Bundesbank brauche das Edelmetall, "um die Währung zu verteidigen", führen Gegner immer wieder an. Das klingt merkwürdig unzeitgemäß. Die Bundesbank verwaltet seit dem Verschwinden der Mark keine eigene Währung mehr. Und der Europäische Zentralbank wurden genügend Währungsreserven, Gold und Dollar, zugeteilt, um bei Bedarf zugunsten des Euro zu intervenieren.
Viel könnte eine Zentralbank bei einer Währungskrise ohnehin nicht ausrichten, wenn sie massenweise Goldklumpen auf den Markt werfen würde. Zwischen Gold und Geld besteht im Zeitalter der Papierwährungen kein Zusammenhang mehr. Modernes Geld ist durch nichts anderes gedeckt als durch die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft, in der es umläuft. Einzige Folge der Intervention wäre, dass Zahnarztpraxen billiger an Nachschubmaterial für Füllungen kämen.
Gern bringt die Bundesbank auch vor, der Verkauf des Goldes bedeute Verschwendung von Volksvermögen. Das Edelmetall sei, nur um mit dem Erlös Haushaltslöcher zu stopfen, zum Verramschen zu schade. An dem Vorwurf war etwas dran, früher. Mittlerweile hat die Sanierung des Bundesetats Fortschritte gemacht, die Lücken sind merklich geschrumpft. Die Mittel werden zur weiteren Konsolidierung nicht mehr benötigt. Wann, wenn nicht jetzt sollte sich die Politik also Gedanken darüber machen, was mit dem Goldschatz geschehen soll?

Obwohl die Bundesbank das alleinige Verfügungsrecht über das Gold besitzt, gehört es ihr nicht. Es ist Eigentum des ganzen Volkes. Der Schatz stammt noch aus der Zeit, als Deutschland Wirtschaftswunderland mit festem Wechselkurs zum Dollar war. Im Gegenzug für seine Exportüberschüsse erhielt das Land die amerikanische Währung, die damals noch durch Gold gedeckt war, in Mengen. Einen großen Teil der Devisen tauschte die Bundesbank tatsächlich um. Die Reserve stellt also nichts anderes dar als zu Gold geronnener Konsumverzicht, kurz: Ersparnisse.
Die in Goldbarren anzulegen ist ökonomisch in etwa so sinnvoll wie der Sparstrumpf unter dem Kopfkissen – beides wirft keine Zinsen ab. Der Nachteil lässt sich ändern: durch den Verkauf der Vorräte. Niemand, der sich ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzt, denkt daran, den Verkauferlös direkt in den Haushalt fließen zu lassen, damit der Finanzminister milliardenteure Wohltaten unters Volk streuen kann. Stattdessen sollte das Geld in einem Fonds angelegt werden. Die Zinserträge könnten neue Vorhaben finanzieren, etwa im Bereich Forschung und Bildung.
Eine Beispielrechnung: Wenn es gelänge, mit dem Gold 50 Milliarden Euro zu mobilisieren (der Rest könnte als eiserne Reserve bei der Bundesbank verbleiben, zur Beruhigung von ökonomisch Abergläubigen) und sie zu fünf Prozent anzulegen, ergäben sich Mehreinnahmen von jährlich 2,5 Milliarden Euro.
Ähnliche Wirkung würde erzielt, wenn mit den 50 Milliarden Euro alte Schulden getilgt würden. So würden Mittel im Haushalt frei, die bislang für den Schuldendienst vorgesehen sind. Diese Variante wäre sogar noch ergiebiger als die oben skizzierte. Schuldzinsen - jeder Kreditnehmer weiß es - liegen stets höher als Guthabenzinsen.
Als Alternative für all diejenigen, die vom Gold nicht lassen wollen, sei die Neubewertung der Goldvorräte empfohlen. Sie stehen noch immer mit den historisch niedrigen Ansätzen aus den fünfziger und sechziger Jahren in den Büchern. Werden sie zu aktuellen Marktpreisen geführt, würde der Gewinn der Bundesbank explodieren. Bis auf 3,5 Milliarden Euro, die in den Bundeshaushalt fließen dürfen, müsste er zur Schuldentilgung dienen. Die Wirkung? Siehe oben.
Gute Gründe sprechen also dafür, dieses Mal tatsächlich Hand an den Goldschatz zu legen. Doch Politiker von SPD und Union zögern. Sie würden gern wollen, aber sie trauen sich nicht aus Angst vor der Bundesbank. Damit machen sie sich zu Bütteln einer ehrwürdigen, aber ebenso ehrpusseligen Institution, die sich verzweifelt an die letzten Reste ihrer Kompetenzen klammert. Die Treue zur Tradition hat einen hohen Preis. Schon deshalb sollte die Große Koalition wollen.

Quelle: spiegel.de